Station 5 [Tschirnerplatz 1/Ecke Schießgasse]: Polizeipräsidium und Polizeigefängnis

In der heutigen Polizeidirektion Dresden befanden sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts das Polizeipräsidium und das Polizeigefängnis. In diesem Gebäude, das von außen an eine Festung erinnert, befanden sich damals 250 Haftplätze. Zwei Gefangene mussten sich eine Zelle von sechs Quadratmetern teilen.

In der Reichspogromnacht wurden hier 151 jüdische Männer interniert und anschließend in die Konzentrationslager Buchenwald und Sachsenhausen deportiert. Während der Novemberpogrome 1938 erhielt die Polizei die Anweisung nicht einzugreifen, der sie auch nachkam.

Polizei und Strafvollzugsbehörden setzen geltendes Recht durch. Ihr Wirken ist im wörtlichen Sinne konservativ – bewahrend. Zugleich ist die Polizei ein Abbild der Gesellschaft. Polizist*innen haben Vorurteile und Schwächen, sie haben politische Ansichten. Trifft eine Behörde, die autoritär strukturiert und vom Wesen her konservativ ist, und eine ohnehin schon nach rechts driftende Gesellschaft aufeinander, ist die Konsequenz naheliegend: Wie im Rest der Gesellschaft nehmen auch bei einzelnen Polizist*innen Vorurteile und Ressentiments zu, hat nationalistisches, fremdenfeindliches und rechtes Gedankengut Erfolg.

Mit einem wichtigen Unterschied: Polizist*innen üben das Gewaltmonopol des Staates aus. Wenn unter ihnen Rassist*innen und Nazis sind, geht es Unschuldigen schnell an den wortwörtlichen an den Kragen.

Schon vor der Machtübernahme der Nationalsozialist*innen, am 30.Januar 1933, war in weiten Teilen Deutschlands und speziell in den Reihen der Polizei eine antikommunistische Haltung weit verbreitet. Dieser Antikommunismus war ein verbindendes Element von NSDAP über rechte Parteien bis zur Mitte. Was dies in der Realität bedeutete, konnte man auch in Dresden erleben. So fand am 25. Januar 1933, also noch vor der Machtübernahme der Nazis, ein Protestzug von Arbeiter*innen gegen den faschistischen Terror statt. Die Polizei versuchte mehrfach, die Demonstration aufzulösen. Bei einer anschließenden Versammlung im Keglerheim, in der Nähe der Yenidze, stürmte die Polizei die Veranstaltung und erschoss dabei neun Arbeiter.

Schon kurz nach der Machtergreifung, im Februar 1933, ordnete der damalige Reichsminister Hermann Göring an, dass SS, SA, Stahlhelm und die Polizei „in gutem Einvernehmen“ zusammenarbeiten sollen. Soweit dies keine Anordnung war, beschrieb es fortan die gängige Praxis, die unter anderem dadurch garantiert wurde, dass mit dem sogenannten Schießerlass vom 17. Februar 1933 Polizisten, die gegen Staatsfeinde zur Waffe griffen, Straffreiheit zugesichert wurde. Polizeiliche Willkür gegen den politischen Gegner wurde damit de facto legalisiert.

Noch im gleichen Monat wurden wesentliche Artikel der Weimarer Verfassung außer Kraft gesetzt. Dazu gehörten die Aufhebung oder Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte wie die des Rechtes auf freie Meinungsäußerung, Einschränkungen des Versammlungsrechtes und die Einführung der Schutzhaft ohne jedes Rechtsverfahren. Diese neuen Regelungen wurden mit Hilfe der Polizei durchgesetzt – die Polizei entwickelte sich zu einem Terrorinstrument der Nazis.

Im Juni 1936 wurden Polizei und SS institutionell verbunden. Somit war Heinrich Himmler auch Chef der Polizei, die dadurch endgültig ein Instrument der NSDAP und somit Adolf Hitlers wurde.

Terror und Verfolgung Andersdenkender waren von 1933-1945 gängige Praxis – und die Polizei hatte hieran maßgeblichen Anteil. Auch im Polizeipräsidium und Polizeigefängnis Dresden wurden Menschen gefoltert, gedemütigt und starben. Als zwei Beispiele unter vielen:

  • Am 23. April 1943 wurde Professor Dr. med. Heinrich Conradi verhaftet, da er in einer Dresdner Markthalle Radieschen gekauft hatte. Als Jude war ihm dies ebenso verboten, wie das Betreten der Markthalle. Zudem wurde ihm vorgeworfen, den Judenstern verdeckt getragen zu haben. Drei Tage später wurde er tot in seiner Zelle gefunden. Seiner Frau wurde mitgeteilt, er habe sich vergiftet.
  • Horst Weigmann war Halbjude. Seine jüdische Mutter, Toni Weigmann, wurde 1944 zur Deportation vorübergehend in das Polizeigefängnis Schießgasse gebracht. In einer tollkühnen Aktion versucht Horst Weigmann, seine Mutter und andere Häftlinge zu befreien. Der Versuch misslingt, er wird gefasst. Er wird in der Nacht so schwer misshandelt, dass er schon am nächsten Tag tot in seiner Zelle aufgefunden wurde. Die Gestapo gibt seinen Tod als Selbstmord aus.

Die Rolle der Polizei bei der Durchsetzung des NS-Terrors macht deutlich, wie gefährlich es ist, wenn eine Behörde mit dem Mandat, Gewalt anzuwenden, von der Leine gelassen wird. Es ist daher wichtig, rassistische und rechtsnationale Entwicklungen bei den Polizeibehörden konsequent zu benennen.

  • September 2014: Ein Bundespolizist in Hannover quält und misshandelt Flüchtlinge, zwingt sie, vergammeltes Schweinefleisch zu essen und prahlt damit vor seinen Kolleg*innen. Diese schauen weg. Es dauert ein halbes Jahr, bis aus dem Kreis seiner Kolleg*innen Anzeige erstattet wird.
  • Ebenfalls September 2014: In Aachen wird eine 23jährige Polizeischülerin mit Migrationshintergrund durch einige Ihrer Mitschüler*innen monatelang online mit rassistischen und neonazistischen Inhalten gemobbt. Zur Aufklärung des Falles stellen 30 ihrer Mitschüler*innen ihre Handys zur Verfügung. Keine*r dieser Polizeischüler*innen hatte dem Opfer vorher beigestanden.

Die Liste rassistische Vorfälle oder der Relativierung rechter Gewalt durch Polizeibeamt*innen ließe sich fortsetzen – Beispiele kennen wir auch aus Sachsen. Sei es Uwe Kilz, der Polizeichef von Bautzen, der eine Gruppe Nazis, die Flüchtlinge durch die Stadt jagen, als „eventbetonte Jugendliche“ verharmlost, sei es der Polizeipräsident von Chemnitz, Uwe Reißmann, der Geflüchteten die Schuld daran gibt, dass ein rassistischer Mob sie daran hindert, eine Flüchtlingsunterkunft zu beziehen, sei es der Revierchef von Dresden-Prohlis, Uwe Waurich, der nach rechten Ausschreitungen vor einer Geflüchtetenunterkunft ausgerechnet eine Willkommensinitiative dafür verantwortlich machte, dass Nazis sich durch ihre bloße Präsenz „provoziert“ fühlten.

Der Eindruck drängt sich auf: In der Polizei gibt es rassistische Tendenzen, denen konsequent entgegengewirkt werden muss, damit diese nicht zum strukturellen Problem werden. Und damit das Problembewusstsein darüber auch bei der Polizei wächst, ist es an uns, Missstände anzuprangern und auf die inhärenten Gefährdungen des Polizeiberufes hinzuweisen.

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