Erstellt: Donnerstag, 18. August 2011 15:39
Jenas OB Albrecht Schröter mit offenem Brief an Stanislav Tillich
Mit einem offenen Brief hat sich Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) an den Sächsischen Ministerpräsidenten Stanislav Tillich (CDU) gewandt. Dabei kritisiert er das Vorgehen der sächsischen Ermittlungsbehörden, dass bei gegen Nazis engagierten Menschen den Eindruck einer gezielten Kriminalisierung erwecken muss und läd Tillich zu einer Podiumsdiskussion ein, die Klarheit zu den Intentionen der sächsischen Landesregierung bringen soll.
Wir geben an dieser Stelle den vollen Wortlaut des Briefes wieder:
"Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
als Oberbürgermeister der Stadt Jena wende ich mich an Sie, um die Fragen vieler Bürger meiner Stadt an die sächsische Landesregierung zu artikulieren. Wie Sie sicher wissen, hat die Staatsanwaltschaft in Dresden einen richterlichen Durchsuchungsbefehl gegen den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König erwirkt und am 10. August etwa 20 Polizeibeamte in unsere Stadt geschickt, um die Hausdurchsuchung durchzuführen. Diese Aktion hat nicht nur Aufsehen erregt, sondern auch für nachhaltigen Unmut gesorgt.
Um nicht missverstanden zu werden: Niemand bestreitet das Recht des Staates und die Notwendigkeit, mögliche Straftaten aufzuklären, zu untersuchen und zu verfolgen. Insofern geht es mir in diesem Brief nicht in erster Linie um Pfarrer König. Es geht um das Signal, das viele engagierte Bürger in der Vorgehensweise der sächsischen Staatsanwaltschaft zu erkennen glauben, und um die Frage, welche Position die sächsische Landesregierung in dieser Frage bezieht. Die Freiheit der Justiz ist nicht nur unumstritten (und wer wüsste dies besser zu schätzen als wir, die wir in der ehemaligen DDR eine staatlich gelenkte Justiz erlebt haben), sie ist ein hohes Gut – das steht außer Frage. Aber welche Intention eine Staatsanwaltschaft im Grundsatz mit der Art ihres Herangehens verfolgt, dürfte nicht unabhängig von den Intentionen des Justizministers sein. Insofern drängt sich die Frage auf, welche grundsätzliche Position die Landesregierung in den nachfolgend formulierten Fragen einnimmt.
Erstellt: Montag, 15. August 2011 14:41
Solidarität mit Lothar König
Letzte Woche wurden durch sächsische Polizeieinheiten die Wohnung und das Dienstzimmer des Pfarrers der Jungen Gemeinde Jena, Lothar König, durchsucht. Dabei wurden ohne Rücksicht auf das Seelsorgegeheimnis und ohne Absprache mit den entsprechenden Behörden des Landes Thüringen und der evangelischen Kirche der Computer, CDs und das Fahrzeug der Jungen Gemeinde beschlagnahmt und nach Sachsen überführt. Dies geschah unmittelbar nach einem Bericht des Spiegels, in dem sich Lothar König kritisch zu den Ermittlungsmethoden und zur Kriminalisierungskampagne der sächsischen Behörden und Landesregierung geäußert hatte. Unter anderem kritisierte er die weitreichende Ausspitzelung, der er und viele andere als Beschuldigte in einem „Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung“ ausgesetzt sind. Eine Woche später bekam er die Quittung, als früh um sechs bewaffnete Polizisten in seine Wohnung eindrangen.
Die auffällige zeitliche Nähe zwischen dem Spiegel-Bericht und dem folgenden Polizeieinsatz verweist darauf, dass hier offensichtlich Kritiker mundtot gemacht werden sollen, indem man sie mit absurden Tatvorwürfen diffamiert. So wird einem Pfarrer, der seit Jahren deeskalierend auftritt nun plötzlich aufwiegelnder Landfriedensbruch vorgeworfen. An dieser Stelle erklärt das Bündnis „Nazifrei! – Dresden stellt sich quer“ mit vollem Nachdruck seine Solidarität und Unterstützung für Lothar König und die Junge Gemeinde Jena. Wir stehen eng an der Seite der Betroffenen im gemeinsamen Kampf gegen Nazis und rechtes Gedankengut, aber auch im Kampf gegen Kriminalisierung und Repression antifaschistischen Engagements.
Massive Kritik von allen Seiten – CDU / FDP Sachsen geben sich empört
In den letzten Tagen hagelte es massive Kritik an dem Polizeieinsatz von Seiten der Opposition und der SPD Thüringen, außerdem von Seiten der Kirchen und Gewerkschaften. Sie kritisieren die Kriminalisierung, die Geheimniskrämerei, sowie den Eingriff in besonders geschützte Bereiche des Seelsorgegeheimnisses eines Pfarrers. Dagegen bagatellisieren Vertreter der Regierungskoalition in Sachsen und der Staatsanwaltschaft Dresden das Vorgehen, antworten mit unerträglichen Vergleichen der Zivilgesellschaft mit Rechtsradikalen (Oberstaatsanwalt Jan Hille, Dresden) und schweigen ansonsten zu den Vorwürfen und Kritikpunkten. Noch immer bezieht die Regierung in Sachsen nicht Stellung zu den rechtswidrigen Eingriffen der Behörden in Sachsen und noch immer fehlen jegliche Ansätze zur Selbstkritik oder etwa personelle Konsequenzen. Noch immer wird das Vorgehen der Behörden nicht unabhängig untersucht.
Wir werden uns davon nicht spalten lassen und wir werden auch nicht schweigen und still halten wenn die Grundrechte die Elbe hinabfließen und die offensichtlichen Missstände in Sachsen nun auch noch auf andere Bundesländer übertragen werden sollen. Wir bleiben solidarisch zueinander im Kampf gegen Nazis und gegen jegliche Kriminalisierung unseres Engagements.
Erstellt: Sonntag, 24. Juli 2011 12:55
Weitere Entwicklungen im Dresdner Handygate
Nichts Neues im Osten? – Nein, alles nur noch schlimmer
Erst gestern ist bekannt geworden, dass die Sächsische Polizei bereits seit längerem Demos regelmäßig per Funkzellenüberwachung ausspitzelte [zum TAZ Artikel]. So bereits im Juni und August 2010. Wie stehen die Chancen für Februar 2010? Wir sind uns sicher, das ist noch lange nicht das Ende der Geschichte. Man kann den Geist der Rechtsbeugung, der in Sachsen am Werk ist, nicht oft genug betonen.
Mittlerweile haben mehr als 400 Personen auf unsere Initiative reagiert und entsprechende Auskunftsersuchen gestellt. In den ersten Antworten verweigert die Dresdner Staatsanwaltschaft, soweit uns bekannt, die Aussage aufgrund laufender Ermittlungen. Trotz dessen ist es wichtig, mit möglichst vielen Auskunftanfragen zu zeigen, dass wir alle mit dem Vorgehen der sächsischen Ermittlungsbehörden nicht einverstanden sind!
Widerwillige Auskünfte
Auch vom Handygate betroffene JournalistInnen werden von Justizminister Martens (FDP) abgespeist. Michael Konken (Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes) verließ ein Treffen mit dem sächsischen Minister am 11. Juli relativ erkenntnisfrei [zum TAZ Artikel]. Was war auch sonst zu erwarten? Bei der Razzia im Haus der Begegnung am 19. Februar waren vor allem Handys beschlagnahmt wurden, mit denen das Presse-Team des Bündnisses „Nazifrei! – Dresden stellt sich quer“ intensivsten Kontakt mit regionalen, überregionalen und teilweise internationalen Journalisten hatte. Glaubt man an die in der Presse verbreiteten krotesken Verdachtsmomente, könnten die KollegInnen sehr schnell potentielle Verdächtige im Verfahren wegen schwerem Landfriedensbruch und anderen Vergehen geworden sein.
Auch Abgeordneten wurde eine Auskunft über gespeicherte Handydaten aufgrund laufender Ermittlungen verweigert. Das betraf unter anderen Wolfgang Thierse (SPD), der sich weiter über die mangelnde Aufklärungsbereitschaft der sächsischen Justiz angesichts der Informationsverweigerung der Dresdner Staatsanwaltschaft empört. Nach dem 19. Februar war er wegen Beleidigung angezeigt worden, als er die Vorgehensweise der Polizei als „Sächsische Demokratie“ bezeichnete. Wie Recht er mit seiner zynischen Aussage hatte, ahnte damals wohl noch niemand.
Wir werden nicht locker lassen!
Bereits jetzt wird intensiv über den Februar 2012 diskutiert. Auch vor dem Hintergrund möglicher Spitzel- und Abhörmaßnahmen aufgrund des §129 lassen wir uns den Zivilen Ungehorsam nicht nehmen, der angesichts von marschierenden Nazihorden, einer Stadtverwaltung, die sich scheut, ein aktives Zeichen gegen Rechts zu setzen und einem in die Schräglage geratenen Demokratieverständis der sächsischen Landesregierung für uns dringender denn je erscheint. Im Handygate Skandal werden wir nicht locker lassen! Weder der politische, noch der juristische Druck wird kleiner werden, bis endlich die ganze Wahrheit auf dem Tisch liegt und die Verantwortlichen dafür zur Rechenschaft gezogen wurden. Wir bitten euch weiterhin, Auskunftsersuchen an die Staatsanwaltschaft zu stellen und werden euch weiter über die Bündnisarbeit für 2012 und die Entwicklungen in der sächsischen ‚Demokratie’-Landschaft auf dem Laufenden halten.
Erstellt: Dienstag, 28. Juni 2011 16:21
Der Fisch stinkt vom Kopf her
Das Bündnis „Dresden-Nazifrei“ fordert den Rücktritt von Innenminister Ulbig
Gestern wurde der Dresdner Polizeipräsident Dieter Hanitsch versetzt. Er ist offensichtlich das Bauernopfer eines immer weiter Kreise ziehenden Datenskandals, bei dem nichts mehr unmöglich scheint. Echtzeitüberwachung, Weitergabe von Adressen, Verteilung der Daten an unterschiedliche Stellen, Abhören von Gesprächen ohne jeglichen Anfangsverdacht, was kommt jetzt noch alles auf die Dresdner BürgerInnen und die am 19. Februar 2011 angereisten DemonstrantInnen zu? Für uns ist jedenfalls klar, dass Innenminister Ulbig diesen Überwachungswahnsinn zu verantworten hat. Das Bündnis Dresden-Nazifrei fordert deshalb seinen Rücktritt.
Hausgemachtes Problem
Über ein Jahrzehnt wurde der Naziaufmarsch zum 13. Februar ignoriert und geradezu protegiert. Erst die Massenblockaden 2010 haben diesen Kreislauf durchbrochen und die Tatenlosigkeit der Verwaltung bloßgestellt. Das Bündnis Dresden-Nazifrei wurde mehrfach hart attakiert, bis hin zur absurden und brutalen Razzia am Abend des 19. Februar 2011. Busunternehmen wurden angeschrieben und zum Ausspionieren der BlockiererInnen aufgefordert, zahlreiche Menschen werden aktuell wegen „Blockadedelikten“ juristisch verfolgt. Die Eskalation des 19. Februar erscheint so weniger als Zufall, denn als Teil einer Delegitimationsstrategie. Dresden ist nun nicht mehr nur das Symbol für den gegen Rechtsradikalismus wehrhaften Bürger der von Stadt und Politik allein gelassen und kriminalisiert wird, es wird auch immer mehr zu einem Symbol des Kampfes gegen einen Überwachungsstaat, der völlig entgrenzt und abgekoppelt von öffentlicher und demokratischer Kontrolle ist.
Erstellt: Donnerstag, 23. Juni 2011 15:27
Datenmissbrauch: Wir klagen!
Wir gehen gerichtlich gegen die FZA am 19. Februar vor
Nach dem publik gewordenen massiven Eingriff in die Grundrechte der Dresdner BürgerInnen und aller DemonstrantInnen, die mit uns gemeinsam am 19. Februar gegen Nazis Farbe bekannt haben, werden wir gegen die Maßnahmen von Polizei und Staatsanwalt vor Gericht gehen.
„Notfalls gehen wir durch alle Instanzen bis vor das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe“, erklärte Bündnisanwältin Kristin Pietrzyk anlässlich unserer Pressekonferenz in Berlin.
Wir bitten euch weiterhin, Auskunft über die Datenerfassung zu verlangen, alle Infos und Vordrucke für Abfragen bei der Staatsanwaltschaft und der Polizei findet ihr hier.
Das schweißt uns nur noch mehr zusammen.
Wir werden uns dadurch nicht spalten lassen. Mehr noch, unser spektrenübergreifendes Bündnis wird mehr denn je zusammen stehen. Weder wird man uns auf diese rechtswidrige Art und Weise einschüchtern, noch von unserem legitimen Protest abbringen können.
Gern geben wir euch die Stellungnahmen von Vertretern der Spektren des Bündnisses und ErstunterstützerInnen anlässlich unserer Pressekonferenz in Berlin weiter:
Albrecht Schröter (Oberbürgermeister von Jena / SPD): „Wir sind nicht in der DDR auf die Straße gegangen, um jetzt in einem Staat zu leben, wo so etwas möglich ist. Was da in Dresden passiert ist, war Rechtsbeugung. Ich werde alle rechtlichen Mittel ausschöpfen um das feststellen zu lassen.“
Ringo Bischoff (ver.di Bundesjugendsekretär): „Das schweißt uns zusammen. Wir bleiben Teil des Bündnisses und werden weiterhin gegen Naziaufmärsche protestieren. Ziviler Ungehorsam ist dafür ein legitimes und erfolgreiches Mittel.“
Henning Obens (Interventionistische Linke): „Kollektiver Regelübertretungen der BürgerInnen haben sich seit Heiligendamm 2007 etabliert. Es existiert eine neue Kultur der Zusammenarbeit und Konfliktbereitschaft, die auch die Erfolge von Dresden ermöglichten. Polizeigewalt und frivoler Rechtsbruch zeigen nur, dass die staatlichen Stellen nur repressive Antworten auf diese Herausforderung haben. Das hat sich in Stuttgart, Dresden und bei den Castortransporten gezeigt. Wir werden die Nazis weiter blockieren.“
Konstantin Wecker (Liedermacher): „Entscheidend ist: Wie geht die Demokratie mit den Menschen um, die sich nicht nur empören, sondern Widerstand dort leisten, wo es nötig ist? Wir sollten uns das nicht bieten lassen. Ich rufe zu Spenden für das Bündnis Dresden-Nazifrei auf, damit der Rechtsstreit finanziert werden kann.“
Bitte um Spenden
Für die folgenden Klagen und die weitere Antirepressionsarbeit (83 Verfahren sind bereits angestoßen, Busunternehmen werden eingeschüchtert) bitten wir um Spenden auf das folgende Konto:
Empfänger: Bund der Antifaschisten e.V.
Konto: 7431721010
BLZ: 85095004
Volksbank-Raiffeisenbank Meißen
Kennwort: Dresden Nazifrei
Kontoinformationen und Paypal Spendenbutton findet ihr auch nochmal in der Sidebar. Wir danken euch für eure Unterstützung!