Station 3 [Sophienstraße/Ecke Taschenberg]: Der Theaterplatz

Unter den Fotos, die aus Dresden 1933 bis 1945 überliefert sind, befindet sich auch ein Luftbild des Adolf-Hitler-Platzes, dem heutigen Theaterplatz. Aufgenommen wurde es am 1. Mai 1933, dem ersten „Tag der nationalen Arbeit“. Der Fotograf befand sich etwa über der Hofkirche, wahrscheinlich in einem Zeppelin. Er richtete das Objektiv auf die Semperoper.

Der 1. Mai 1933 war – ein Montag. Der Platz war brechend voller Menschen, die Zeitung der sächsischen NSDAP “Der Freiheitskampf“ schrieb von 100 000 Teilnehmer*innen. Am Portal der Semperoper war eine große Hakenkreuzfahne befestigt. Nördlich des Operngebäudes standen Polizei und Sanitätswagen bereit. Das war nur eine von drei großen Kundgebungen in Dresden an diesem Tag, später versammelten sich die Massen auch auf der Vogelwiese an der Elbe und auf der Illgen-Kampfbahn in der Nähe des heutigen Dynamostadions. Obwohl die Aufmärsche dort noch weit größer waren, blieb besonders das Bild des Theaterplatzes im kollektiven Gedächtnis und der Platz in den folgenden 80 Jahren von hohem Symbolwert.

Anhand des Fotos und der Zeitungen vom 1. Mai 1933 erfahren wir, wer die Teilnehmer der Kundgebung auf dem Theaterplatz waren. Ganz überwiegend standen hier Männer, denn Frauen waren auf die Nachmittagsveranstaltungen verwiesen worden, da sie, so hieß es, „überfordert“ seien. In der Nähe des Italienischen Dörfchens und auch auf der Zwingerseite zeigt das Bild militärisch aufgestellte Reihen. Die Dresdner Neuesten Nachrichten druckte die Stellpläne ab, daher wissen wir: hier standen SA, SS, Polizei und Stahlhelm.

Von der Stelle, an der wir hier stehen, marschierten Sportverbände und Handwerker-Innungen auf den Platz. In der Gegend der Hofkirche, um die Grünanlagen des Zwingers sowie am Rand beim Italienischen Dörfchen drängten sich die Schaulustigen.

In der Mitte des Platzes befindet sich auf dem Foto eine weitere große Menschenmenge. Dieser Raum war den Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisationen zugeteilt, der nationalsozialistischen Konkurrenz zu den Gewerkschaften. Ihre Mitgliederzahl reichte bei weitem nicht aus, um ihn zu füllen. Die Journalisten der Dresdner Neuesten Nachrichten berichteten im Nachhinein, dass ganze Belegschaften von Betrieben geschlossen an der Kundgebung teilnahmen.

Auch der Bundesausschuss des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes rief zur Teilnahme an den Aufmärschen am 1. Mai 1933 auf. Ebenso die christlichen Gewerkschaften, die bis dahin den traditionell marxistisch orientierten Maifeiertag nicht begangen hatten. Die Leitungen der Gewerkschaften versprachen sich von der Regierung Hitler, ebenso wie viele Lohnabhängige, in erster Linie ein Programm gegen die Arbeitslosigkeit. Anpassung sollte ein Weiterbestehen der Gewerkschaftsbewegung ermöglichen. Diese Hoffnung wurde schon am Tag darauf mit der Besetzung der Gewerkschaftshäuser – u.a. am Schützenplatz – zerschlagen.

Wozu dieser Aufwand? Der Historiker Rüdiger Hachtmann bewertete den 1. Mai 1933 vor einigen Jahren so: „Repressionen allein reichen nicht aus, um über einen längeren Zeitraum ein neues Regime zu etablieren. Es braucht Anreizsysteme, Integration, positive Identifikationspunkte. Hitler war sich des suggestiven und psychologisch vergemeinschaftenden Charakters solcher Massenkundgebungen bewusst. Die Inszenierung … hatte damit eine Doppelfunktion: Sie schüchterte zum einen ein, das heißt, sie symbolisierte die Macht und die Größe der NS-Bewegung. Zum anderen kam der integrierend wirkende Mechanismus zum Tragen, sich plötzlich innerhalb der Massen selbst stark zu fühlen. Dadurch gewannen vermutlich auch die neuen NS-Ideen an Attraktivität, insbesondere der Radikalnationalismus der Nazis.“

Die Dresdner Neuesten Nachrichten berichteten am 1. Mai 1933 weiterhin von Sondersendungen des Rundfunks über den ganzen Tag.…  Über 300 politische Gefangene saßen im Gefängnis Mathildenstraße. … Der Theaterplatz wurde umbenannt in Adolf-Hitler-Platz. … Die Stimmung an der Börse blieb zuversichtlich.

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