Frauen im Nationalsozialismus

„Die Frauen im Nationalsozialismus“ gab es selbstverständlich nicht. Jüdinnen, politisch andersdenkende Frauen, Frauen mit nicht heterosexueller Orientierung, mit Handicaps oder Krankheiten, Frauen, die ihre Sexualpartner wechselten, wurden verfolgt, diskriminiert, inhaftiert und ermordet. Oft waren Zwangsmaßnahmen dabei von sexualisierter Gewalt begleitet.

Täterspuren legt den Fokus auf Täterinnen und Profiteurinnen des nationalsozialistischen Systems.

Die Genderpolitik der NSDAP diente einer Ideologie getrennter Aufgaben von Frauen und Männern innerhalb einer als rein binär und heterosexuell gedachten Gemeinschaft, die es selbstverständlich in der Praxis nicht gab. Deshalb wechselten die ideologischen Vorgaben wie auch die Richtung der politischen Maßnahmen schnell und beides stellt sich voller Widersprüche dar.

So wurde z. B. die Erwerbstätigkeit der Frauen außerhalb der Familie in den Grundlagendokumenten der NSDAP abgelehnt. Während der Wahlkämpfe der frühen 1930er Jahre betonten die Redner dagegen, dass sie zu befürworten sei. Bereits im Juni 1933 erfolgte die nächste Kehrtwende: mit dem „Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit“ sollten Ehefrauen aus der Erwerbstätigkeit gedrängt werden. In der Kriegszeit wurde dagegen die Arbeit von Frauen in der Industrie oder dem Verkehrswesen als „Heimatfront“ verherrlicht.

Das passive Wahlrecht der Frauen wurde nicht aufgehoben. Es wurde dadurch ausgehebelt, dass die NSDAP, seit Juli 1933 die einzige zugelassene Partei, keine Kandidatinnen nominierte.

Die NSDAP stellte sich als Männerpartei dar und hatte in der Vorkriegszeit weniger als 10 Prozent weibliche Mitglieder. Der Anteil stieg allerdings während des Krieges auf etwa 40 Prozent[1]Kater S. 204-207. Frauen sollten in angegliederten Verbänden organisiert werden. 1939 gehörten 12 Millionen Frauen einem dieser Verbände an, wie dem „Bund Deutscher Mädel“, dem „Deutschen Frauenwerk“ oder der „NS-Frauenschaft“[2]DFW 2,3 Mio., NSF 2,3 Mio., korporative Mitglieder der „gleichgeschalteten“ Verbände 6,3 Mio. Kramer 2011, S. 48f.; BDM (i.e.S.) 1,4 Mio. Kinz, S. 25. Die „NS-Frauenschaft“ gehörte zu den sechs direkten Unterorganisationen der NSDAP, wie die HJ oder SS. Zu den acht angeschlossenen Verbänden gehörte das „Deutsche Frauenwerk“. Alle diese Organisationen waren finanziell von den Strukturen der NSDAP abhängig und die Leiterinnen auf Orts-, Bezirks-, Gau- und Reichsebene wurden von den entsprechenden männlichen Parteileitern berufen.

Die nationalsozialistischen Frauenorganisationen lehnten die Ziele der bürgerlichen und proletarischen Frauenbewegung weitgehend ab, vor allem deren Forderungen nach rechtlicher und gesellschaftlicher Gleichberechtigung. Das hinderte sie nicht daran, sich auf deren Protagonistinnen zu berufen und als „neue Frauenbewegung“ darzustellen.

Der Leitbegriff der Ideologie war „die deutsche Frau“, die in der öffentlichen Darstellung mit Eigenschaften wie Selbstlosigkeit, Treue, Pflichtbewusstsein und Opferbereitschaft assoziiert wurde. Das damit verbundene Bild beruhte auf zwei Versprechen: dem der gesellschaftlichen Aufwertung der Familienarbeit und dem der Wirkungsmacht und der Karrierechancen von Frauen auf bestimmten politischen Gebieten, die als frauengemäß dargestellt wurden.

Zentral für die nationalsozialistische Ideologie war die Mutterrolle der Frauen. Sie wurde durch wohlfahrtspolitische Maßnahmen gestützt, wie zum Beispiel das Ehestandsdarlehen und dessen Erlass für kinderreiche Familien, das „Pflichtjahr“ im Haushalt oder in der Landwirtschaft für Mädchen vor einer Ausbildung, das Abtreibungsverbot und die Verstärkung des Mutterschutzes. Dazu kamen symbolische Handlungen wie das Mutterkreuz und die überhöhte Darstellung von Müttern in der Kunst.

Das angebliche Erziehungsziel junger Frauen zur umsichtigen Hausfrau und Mutter, zu einer als Idylle hingestellten vorindustriellen Tätigkeit, war jedoch mit den wachsenden Bedürfnissen der Industrie und der damit sich verändernden Stellung der Frauen im gesellschaftlichen Reproduktionsprozess nicht zu vereinbaren. 1939 war in Sachsen etwa die Hälfte der Frauen zwischen dem 15. und 60. Lebensjahr außerhalb des eigenen Haushaltes erwerbstätig[3]Berechnet nach Statistisches Jahrbuch für das Land Sachsen 51(935/38), Dresden 1939, S. 1 und 285.

Während des sechsmonatigen Kriegshilfsdienstes für Frauen wurde die Mehrheit der Verpflichteten in der Rüstungsindustrie oder direkt bei der Wehrmacht eingesetzt, nur 35 % in Krankenhäusern und Lazaretten und 4 % in Familien. Begleitet wurde diese politische Entscheidung von der angeblichen Erkenntnis, dass junge Frauen vor oder neben der Ehe wegen der besseren Feinmotorik und des geringeren Aufstiegsstrebens für monotone Arbeiten besonders geeignet seien[4]Kramer 2014, S. 40, dort weitere Literaturangaben.

Bereits 1933 begann auch die Propaganda für politische und berufliche Karrieren für Frauen. Immer vorausgesetzt, dass sie den Männern der gleichen Funktionsebene untergeordnet wurden, sollten sie weitere Berufe und unbezahlte Tätigkeiten erschließen und als Expertinnen für alle Belange von Frauen und Kindern wirken. Unter den 1936 von ihren Berufen als Ärztin oder Anwältin Ausgeschlossenen warb der Reichsarbeitsdienst für den Einsatz als Lagerführerin. Junge Frauen standen in leitenden Positionen beim BDM und den lokalen und regionalen Ebenen der Frauenorganisationen. Den Angehörigen der weiblichen Kriminalpolizei, Wohlfahrtspflegerinnen und Krankenschwestern wurde suggeriert, ihre Wachsamkeit gegenüber abweichenden Verhalten sei wesentlich für die sogenannte „Volksgesundheit“. Die Familienarbeit wurde propagandistisch aufgewertet durch Ausbau von „Mütterschulen“, Lehrküchen, hauswirtschaftlichen Beratungsstellen und die Professionalisierung der Gemeindepflege sowie die ständige Betonung des Wertes nicht bezahlter Tätigkeiten für die „Volksgemeinschaft“. Gemeinsame Arbeit bei Nähnachmittagen, im Winterhilfswerk und bei der Massenverpflegung wirkten auf höheres Selbstbewusstsein aus hauswirtschaftlichen Arbeiten hin, ebenso die Einführung des Diploms „Meisterin der Hauswirtschaft“.

Das war anschlussfähig auch für direkte gewaltförmige Täterschaft von Frauen.

Die enge Verbindung von Gemeindeschwestern und Wohlfahrtspflegerinnen sowie Angestellten der Arbeitsämter zu den Familien vor Ort und der Status einer Vertrauensperson ermöglichten es den nationalsozialistischen Behörden, alle Informationen über Krankheiten und soziale Probleme zu erhalten. Damit wurde ihre Einschätzung wichtig für die Deportation von Kranken oder die Internierung von Jugendlichen in Konzentrationslagern und Erziehungsanstalten.

Die Gemeindepflegerinnen entschieden auch über die Teilnahme an der „Kinder-Landverschickung“ aus den kriegsbetroffenen Großstädten und die Genehmigung von Erholungskuren.

Gute Verdienstmöglichkeiten und hohes soziales Ansehen machten auch Wehrmacht, Polizei, GESTAPO und SS zu attraktiven Arbeitsstellen für Frauen, von der zivilen Schreibkraft oder der Luftwaffenhelferin bis zur KZ-Aufseherin.

Auch Frauen, die nicht erwerbstätig waren, konnten durchaus zu direkten Täterinnen werden, z.B. im Rahmen der Germanisierungspolitik in besetzten Gebieten, bei der Betreuung und Überwachung von Evakuierten und sogenannten Volksdeutschen oder als Funktionärinnen. 1939 waren bereits 1 Million Frauen als Ortsgruppenleiterinnen, Kindergruppenleiterinnen, Luftschutzhelferinnen, Blockwartinnen u.ä. tätig und diese Zahl wuchs im Krieg auf ein Vielfaches.

Für die Frauen und Männer, die nach Abstammung, sexueller Orientierung, Gesundheit und politischer Meinung für die sogenannte Volksgemeinschaft vorgesehen waren, war es während des Nationalsozialismus durchaus schwierig, das öffentlich propagierte Frauenbild als Ideologem zu erkennen. So wurde die strikte Trennung der Aufgaben von Frauen und Männern als naturgegeben hingestellt. Diese These war für die meisten Zeitgenossinnen und Zeitgenossen noch selbstverständlich. Die These der Ungleichwertigkeit der Menschen war ebenfalls fest im Bewusstsein Vieler verankert.

Aber auch Ansätze der verschiedenen Frauenbewegungen vor 1933 fanden sich als Versatzstücke in der Propaganda wieder, zum Beispiel die Idee der „sozialen Mutterschaft“ kinderloser berufstätiger Frauen.

Wie auch auf anderen Gebieten zog die nationalsozialistische Ideologie aus diesen widersprüchlichen Bezügen und Propagandabildern einen Teil ihrer Attraktivität.

Literatur

Christina Herkommer: Frauen im Nationalsozialismus – Opfer oder Täterinnen? München 2005.

Michel H. Kater: Frauen in der NS-Bewegung. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 31(1983)2, S. 202-241.

Gabriele Kinz: Der Bund Deutscher Mädel. Frankfurt/M. 1990.

Nicole Kramer: Haushalt, Betrieb, Ehrenamt: zu den verschiedenen Dimensionen der Frauenarbeit im Dritten Reich. In: Arbeit im Nationalsozialismus. München 2014, S. 33-52.

Nicole Kramer: Volksgenossinnen an der Heimatfront: Mobilisierung, Verhalten, Erinnerung. Göttingen 2011.

Anna Schley: Frauen in der NSDAP. Eine empirische Analyse der weiblichen Neumitglieder. In: Junge Kämpfer, alte Opportunisten: die Mitglieder der NSDAP 1919-1945. – Frankfurt, New York 2016, S. 297-317.

Silke Schumann: „Die Frau aus dem Erwerbsleben wieder herausnehmen“. NS-Propaganda und Arbeitsmarktpolitik in Sachsen 1933-1939, Dresden 2000.

Leonie Wagner: Nationalsozialistische Frauenansichten. Frankfurt/M. 1996.

Quellenangaben

Quellenangaben
1 Kater S. 204-207
2 DFW 2,3 Mio., NSF 2,3 Mio., korporative Mitglieder der „gleichgeschalteten“ Verbände 6,3 Mio. Kramer 2011, S. 48f.; BDM (i.e.S.) 1,4 Mio. Kinz, S. 25
3 Berechnet nach Statistisches Jahrbuch für das Land Sachsen 51(935/38), Dresden 1939, S. 1 und 285
4 Kramer 2014, S. 40, dort weitere Literaturangaben
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