Die Höhere Mädchenschule in Dresden-Johannstadt

Die Staatliche Höhere Mädchenschule wurde bereits 1802 als private Töchterschule gegründet. Diese Schule ermöglichte es jungen Frauen nach ihrem Abschluss der Volksschule ihre Schulbildung fortzusetzen. 1898 wurde dafür ein neues Gebäude in der Marschnerstraße 8 bis 10 errichtet. Hier stehen wir jetzt. Als eine der Folgen der Machtübernahme 1933 durch die Nationalsozialisten, wurde die „Höhere Mädchenschule“ 1934 mit der „Frauenschule“ vereinigt. Das Gebäude, welches die Höhere Mädchenschule beherbergte und das sich an diesem Platz befand, vor dem wir jetzt stehen, wurde 1945 bei dem Angriff auf Dresden zerstört.

Bereits der 1. Weltkrieg bedeutete eine große Veränderung für die Gesellschaft. Während des Krieges gelangten Frauen und Mädchen an die Positionen der zum Kriegseinsatz verpflichteten Männer. Am Beginn der Weimarer Republik konnten einige Rechte für Frauen erkämpft werden. Mit der Reichsverfassung von 1919 erhielten die Frauen das aktive und passive Wahlrecht und wurden formal den Männern gleichgestellt. Das war die Grundlage der Zulassung von Frauen zu Berufen im Öffentlichen Dienst. Die Zahl der weiblichen Studierenden nahm zu, und allmählich kamen auch Töchter aus dem Mittelstand an die Universitäten. Am 19. Januar 1919 konnten Frauen zum ersten Mal in Deutschland reichsweit ihr Wahlrecht in Anspruch nehmen und gewählt werden. Es gab jedoch große Unterschiede zwischen einer progressiv-radikalen Strömung und der konservativen Tradition.

So wurde bereits 1923 die Gleichberechtigung wieder eingeschränkt: Nach der Personalabbauverordnung des öffentlichen Dienstes konnte das Dienstverhältnis verheirateter Beamtinnen und Lehrerinnen jederzeit gekündigt werden, wenn ihre Versorgung durch den Ehemann oder durch die Familie gesichert war.

Auch im Bildungswesen gab es nur langsame Veränderungen für Mädchen und Frauen. Zwar wurde 1920 durch die Reichsschulkonferenz das Mädchenschulwesen dem Jungenschulwesen gleichgestellt – jedoch gab es Unterschiede in der Ausrichtung der Fächer. Bei Mädchen wurde der Schwerpunkt auf Deutsch, Musik und Handarbeit gelegt und naturwissenschaftliche Fächer, wie Mathematik oder Physik vernachlässigt.

Der größte Unterschied bestand in der Fortbildungsschulpflicht. Für Jungen gab es nach der Volksschule die Pflicht, eine weiterführende Schule zu besuchen. Für Mädchen bestand diese nicht. Deshalb besuchten viele Mädchen keine höhere Schule, sondern arbeiteten als billige Arbeitskräfte in Fabriken oder lebten das tradierte Gesellschaftsbild als Hausfrau und Mutter weiter.

Ab 1933, als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, gab es einschneidende Veränderungen für das Erziehungswesen. Seit 1934 war das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung zuständig für die Ausgestaltung des Schulwesens, für Jugendverbände und für die Erwachsenenbildung. Die Bestimmung der Länder über das Bildungswesen entfiel.

Die allgemeinen Erziehungsziele der Nazis – die körperliche Ertüchtigung, Entwicklung des Charakters sowie Intellektfeindlichkeit waren für Jungen und Mädchen gleich.

Jedoch ergaben sich aus der angenommenen natürlichen Wesensbestimmung der Geschlechter unterschiedliche Leitbilder. Während für die Jungen der soldatische Mensch als Ideal galt, so war es für die Mädchen die mütterliche Frau. „Für die kommende „Mutter des Volkes“ war eine gesunde Körperschulung Voraussetzung; einer allzu großen Anhäufung von Wissen musste Einhalt geboten werden, und gesundes Wachstum sollte durch Sport, Gymnastik und biologische Aufklärung erreicht werden.“ (Klaus 1980, S. 43)

Die nationalsozialistische Ideologie betrachtete Frauen von Natur aus zur Reproduktion bestimmt. Somit galt die Frau als Mutter, Hausfrau, sowie als Garantin für die „Reinhaltung der Rasse“ und gleichsam als Bewahrerin der „völkischer Werte“. Dieses Frauen- und Mädchenbild war eine Fortschreibung einer konservativen Weltanschauung. Die Reduktion der Frau auf ein biologisches Wesen, dass sich ausschließlich um den Nachwuchs zu kümmern hat und sich für den Mann und die Familie aufopfert, reicht viele Jahrhunderte zurück.

(Achtung! Hitlerzitat!): Hitler behauptete 1934, – „das Wort von der Frauenemanzipation ist ein nur vom jüdischen Intellekt erfundenes Wort. Wir empfinden es als nicht richtig, wenn das Weib in die Welt des Mannes eindringt, sondern wir empfinden es als natürlich, wenn diese beiden Welten geschieden bleiben“. (http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/pdf/deu/GERMAN67.pdf)

Ab 1933 kam es durch den Einfluss der Nationalsozialisten auch zu Veränderungen in Struktur und Lehrweise in der Staatlichen Höheren Mädchenbildungsanstalt Dresden-Johannstadt . Die höhere Mädchenschule war sechsstufig und bot Englisch- und Französischunterricht an. Mit dem sechzehnten Lebensjahr erreichten die Schülerinnen den Abschluss. Wer die Hochschulreife anstrebte, konnte diese in der dreistufigen Studienanstalt erwerben. Der Zugang zu den Universitäten war für Frauen allerdings höchst schwierig, da der Frauenanteil an Universitäten zeitweise nur noch 10% aller Studierenden betragen durfte. Zu Berufen im Justizwesen und als Ärztinnen wurden keine Frauen mehr zugelassen. Sie sollten nur noch sogenannte „typisch weibliche“ Berufe ausüben.

Entsprechend der Rollenzuteilung in der faschistischen Ideologie sollten Frauen auf das Leben als Hausfrau und Mutter oder für die Ausbildung zur Kindergärtnerin oder Hortnerin vorbereitet werden. Dazu diente die zweijährige Frauenschule mit hauswirtschaftlichem Schwerpunkt.

Die Ausrichtung des Lehrplans orientierte sich an dem Frauenbild der faschistischen Ideologie. Dazu zählten insbesondere hauswirtschaftliche, pflegerische und mütterliche Aufgabengebiete.

Ein Schwerpunkt war das Verständnis der privaten Wohnung, die „als Hort und Tempel der Familie“ galt. Auf das Leben in der Familie wurden Volkskunde, Werkstofflehre und Kunstunterricht ausgerichtet. Der Nadelarbeitsunterricht sollte den jungen Frauen Geschmack und Stil einer nach nationalsozialistischer Vorstellung geprägten Kleidung vermitteln und vor „Modetorheiten bewahren“. Weitere Lehrinhalte waren das Zubereiten von Speisen, das richtige Anwenden von Wasch- und Fleckenentfernungsmitteln und die Handhabung von Fernsprecheinrichtungen wie Telefon und Radio sowie die körperliche Ertüchtigung.

Als ein wichtiges Fach in der höheren Mädchenschule galt der deutsche Aufsatzunterricht. Über die Themen der Aufsätze sollte auf das Denke der Mädchen und jungen Frauen eingewirkt werden. Themen waren z.B. „Die Frau in Haus und Beruf“ oder „Weshalb treiben wir Sport.“

Ein wichtiger Aspekt war das Gemeinschaftsleben. Es wurden viele verschiedene Wandertage oder Ausflüge ins Landheim unternommen. In den Landheimen sollten sich die Mädchen aus der Stadt mit dem Leben und der Arbeit der Bäuerinnen vertraut machen und sich der Traditionen des Landes bewusst werden. In der Gemeinschaft wurde außerdem das deutsche Volkslied zelebriert.

Betont wurde zudem der nationalistische Aufbruch. Im Schulhof versammelten sich 1933 dazu alle Schülerinnen, um die Hitlerlinde zu pflanzen.

Innerhalb der Schule gab es außerdem eine Gruppe „Bund Deutscher Mädchen“. Hier wurde den Schülerinnen über Lichtbildervorträge das Leben der Deutschen im Sudetengebiet, in Siebenbürgen sowie im Baltikum nähergebracht. Deutlich ist hierin die faschistische Kriegspropaganda (deutscher Lebensraum im Osten) zu erkennen. Um den nationalen Zusammenhalt zu stärken blieb man in engem Kontakt mit ehemaligen Schülerinnen, die Mitglied im BDM waren. Es wurden gemeinsame Treffen und Ausflüge organisiert.

Auf die körperliche Ertüchtigung als wesentlicher Bestandteil der nationalsozialistischen Erziehung auch der Frauen und Mädchen wurde bereits hingewiesen. Ab 1933 wurde das Förderturnen eingeführt, um körperlich schwächere Schülerinnen zu trainieren und zu stärken. Im Sommersemester gab es ein tägliches Pausenturnen auf dem Schulhof. Außerdem fanden viele vom Reich ausgeschriebenen Reichsjugendwettkämpfe und Sportfeste statt.

Mit dem Ende der Nazi-Diktatur war nicht zwangsläufig das tradierte, auf Reproduktion beschränkte, Frauenbild verschwunden. Vor allem seit dem Wiedererstarken rechter Parteien lassen sich ähnlich sexistische Ansichten in verschiedenen Programmen wiederfinden. Im Programm der AfD heißt es beispielsweise, dass die „Gender- Ideologie“ für verfassungsfeindlich anzusehen sei, da sie den naturgegebenen Unterschied zwischen Mann und Frau in Frage stelle. Das Recht auf Abtreibung und das geltende Recht auf Scheidung soll gekippt werden. Zudem möchte die AfD den „Erhalt des Staatsvolkes als Staatsziel ins Grundgesetz aufnehmen“. Auch dadurch verändert sich jedoch der Ton, in dem über Frauen gesprochen wird. Es bleibt notwendig sich der erkämpften Rechte bewusst zu werden. Gendergerechtigkeit ist eine Frage der Anerkennung individuelller Lebensentwürfe, was sich auch in der Sprache widerspiegeln sollte. Medien und Werbung müssen dem gerecht werden. Geschlechterdiskriminierung ist genauso wenig tolerierbar wie Diskriminierungen aus rassischen, religiösen und nationalen Gründen.

Literatur

Keim, Wolfgang: Erziehung unter der Nazi- Diktatur. Band II:Kriegsvorbereitung, Krieg und Holocaust. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1997

Retzlaff, Birgit; Lechner, Jörg-Johannes: Bund Deutscher Mädel in der Hitlerjugend. Verlag DR. KOVAC Hamburg 2008

Bericht der Städtischen Höheren Mädchenbildungsanstalt Dresden-Altstadt Zinzendorfstraße 13/15 über die Jahre 1933-1937 (http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/pdf/deu/GERMAN67.pdf)

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