Die Horst-Wessel-Schule

Die 1. Knabenberufsschule-Altstadt „Horst Wessel“ wurde am 17. September 1934 eröffnet. Der Bau nach Plänen des Dresdner Stadtbaurates Paul Wolf wurde 1928 begonnen, auf Grund finanzieller Schwierigkeiten der Stadt Dresden mehrmals unterbrochen und schließlich unter nationalsozialistischer Herrschaft vollendet. Es war der erste fertiggestellte Dresdner Schulneubau nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten. Mehr als die Hälfte aller Dresdner Berufsschüler besuchte ab 1935 diese Berufsschule, da sowohl gewerbliche als auch kaufmännische Berufe ausgebildet wurden. Pro Schuljahr wurden hier mehr als 5000 Maschinenbauer, Werkzeugschlosser, Autoschlosser, Dreher, Sattler, Schneider, Uhrmacher, Optiker, Kaufleute, Musiker und Ungelernte unterrichtet.

Mit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten rückte auch die Berufsschule in den Fokus völkischer Bildung. Die Berufsausbildung sollte nicht mehr allein dazu dienen, berufstheoretische und -praktische Kenntnisse zu vermitteln und damit den Übergang ins Erwerbsleben zu ebnen; sondern die Schüler im Sinne der NS-Ideologie erziehen, d. h. Vermittlung völkischen und rassistischen Gedankengutes, Verherrlichung des Krieges sowie Treue und Gefolgschaft gegenüber Adolf Hitler und dem deutschen Staat. Bernhard Rust, preußischer Kultusminister und Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung formulierte schon im Juli 1934 die Richtlinie: „Die Schule hat sich auszurichten nach dem Geist unseres großen feldgrauen Heeres und hat dafür zu sorgen, dass ein ganzes Volk in seiner Totalität auf diesen Gedanken hin erzogen wird.“ Der Namensgeber der Schule, Horst Wessel, ein nach seinem Tod zum Märtyrer stilisierter Sturmführer der SA, verdeutlicht diese Ausrichtung.

Die Leitung der Horst-Wessel-Schule übertrug das Stadtamt für Volksbildung dem Radeberger Gewerbelehrer Erich Möckel, der seit 1929 NSDAP-Ortsgruppenleiter von Radeberg war. Er trat mehrfach öffentlich als Redner in Erscheinung und agitierte mit Nachdruck gegen linke und kommunistische Kräfte. Als die Reichstagswahlen im März 1933 nicht das erwünschte Resultat für die NSDAP erbrachte, war Erich Möckel wesentlich für die Erstürmung und Besetzung des Radeberger Rathauses verantwortlich. Die rechtmäßigen Verwaltungsvertreter wurden ihrer Ämter enthoben und politisch eingeschüchtert; ihre Wahlwerbung mussten sie – unter Zwang durch die SA – eigenhändig aus dem öffentlichen Raum entfernen. Die kommissarische Leitung der Radeberger Stadtverwaltung übernahm Erich Möckel selbst, und war hier bis zu seinem Amtsantritt als Direktor der Horst-Wessel-Schule Dresden tätig.

Vor dem Schulgebäude befand sich ein Ehrenmal für die Gefallenen des 1. Weltkrieges. An diesem war die Aufforderung an die Schüler angebracht, sich ganz in den Dienst des Vaterlandes zu stellen, so wie dies auch die Generationen vor ihnen getan hätten. Die Verknüpfung von Gebäude und Ideologie wurde auch im Inneren der Schule fortgesetzt. Sowohl im Eingangsbereich als auch über den Eingängen zum Festsaal waren Spruchbänder mit Appellen Adolf Hitlers an die Jugend angebracht.

In der „Horst Wessel-Schule“ stand neben der Vermittlung fachlicher Kenntnisse die Erziehung der Berufsschüler im Sinne des Nationalsozialismus im Mittelpunkt. Die gesamte Ausbildung unterlag starkem ideologischem Einfluss. Es erfolgte eine militärische Ausrichtung der gesamten Schulorganisation bis hinein in den Freizeitbereich. Militärisch organisierte Morgenappelle wurden abgehalten, der Hitlergruß konsequent durchgesetzt, jüdischen Schülern die Schulaufnahme verweigert.

In den Kriegsjahren von 1939 bis 1945 wurden aus den Reihen der Berufsschüler verstärkt Kriegsfreiwillige geworben, die in einer vorzeitigen Prüfung ihre Lehre abschlossen. Ein ehemaliger Schüler beschreibt diese Rekrutierung von Kriegsfreiwilligen:

„Die gesamte Schülerschaft musste hinaus auf den Schulhof und antreten. […] Dort mussten wir stehen und verharren, solange, bis sich die entsprechende Anzahl Kriegsfreiwilliger gemeldet hatte.“

Am 13. Februar 1945 wurden große Teile der Schule zerstört.

Quellen und Literatur

Dresdner Hefte Nr. 97. Zwischen Reform und Restriktion. Sächsische Schulgeschichte im 20. Jahrhundert, Dresden 2009.

https://www.bommi2000.de/geschichte/20jh/1934/1934wessel.php (zuletzt geprüft am 15.01.22).

https://www.gedenkplaetze.info/taeter-innenspuren/die-knabenberufsschule-horst-wessel (zuletzt geprüft am 15.01.22).

https://www.bsz-technik-zeuner.de/allgemeines/110-schulgeschichte#Der%20Weg%20zum%20Berufsschulneubau%20bis%201928 (zuletzt geprüft am 15.01.22).

https://saebi.isgv.de/biografie/Paul_Wolf_(1879-1957) (zuletzt geprüft am 18.01.22).

http://aardb.blogsport.de/images/RadebergerLandunterdemHakenkreuz.pdf (zuletzt geprüft am 18.01.22).

https://ulis-buecherecke.ch/pdf_neben_dem_krieg/schule_im_dritten_reich.pdf (zuletzt geprüft am 15.01.22).

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