Awareness bedeutet: Sich bewusst sein, sich informieren, für bestimmte Problematiken sensibilisiert sein. Awareness ist ein Konzept, das sich gegen Grenzverletzung, Gewalt und Diskriminierung stellt und versucht, Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Da Machtverhältnisse auf institutioneller, zwischenmenschlicher und ideologischer Ebene ständig und überall existieren, gibt es keine Räume, die als diskriminierungsfrei gelten können. Um diesen ungleichen Machtverhältnissen etwas entgegenzusetzen, ist es umso wichtiger, Grenzverletzungen und Diskriminierungen zu thematisieren, anstatt sie zu tolerieren, aber auch Handlungsalternativen aufzuzeigen. Das Awareness-Konzept soll zu einer Bewusstmachung der eigenen Person, der eigenen (meist weißen) Privilegien und der bestehenden Machtstrukturen sowie zu einer Offenheit für Positionen Anderer anregen. Damit soll eine Sensibilisierung für Formen der Diskriminierung, Grenzüberschreitung und Gewalt erreicht werden. Zentral ist dabei, anzuerkennen, dass kein Mensch vorurteilsfrei und diskriminierungsfrei im Umgang mit Anderen ist. Deshalb muss eine bewusste Reflexion darüber bei jeder einzelnen Person stattfinden. Awareness geht uns alle an – denn nur in der aktiven Auseinandersetzung mit Machtverhältnissen können wir diesen etwas entgegensetzen, sie verändern und nach und nach abbauen.
Sexistische, rassistische, homo-, transphobe, ableistische oder vergleichbare Übergriffe werden dabei immer nur auf Grundlage der Einschätzung und Empfindung betroffener Person selbst als grenzüberschreitend definiert (kurze Erläuterungen zu den Begriffen finden sich im Abschnitt „Einige (natürlich nicht alle!) Diskriminierungsformen“). Situationen können von Mensch zu Mensch unterschiedlich wahrgenommen werden, deshalb gibt es keine allgemeine Definition von Übergriffen. Verletzendes und grenzüberschreitendes Verhalten wird also immer dem Effekt und nicht der Absicht nach beurteilt. Gefühle wie Ausgeliefertsein und Ohnmacht können dadurch verringert und ein Verständnis darüber geschaffen werden, dass persönlich erlebte Grenzen – egal in welcher Form sie auftreten – richtig sind und akzeptiert werden müssen. Um Menschen, die von diskriminierendem Verhalten betroffen sind zu unterstützen, ist es wichtig, dass von der Seite der betroffenen Person aus gearbeitet wird: es wird eine solidarische Haltung eingenommen und die Vorfälle werden nicht in Frage gestellt. Eine „neutrale“ Haltung ist in einer solchen Situation nicht sinnvoll. Sie schadet am Ende nur der betroffenen Person, während sie die beschuldigte Person schützt.
Awarenessrelevante Themen sind immer im Kontext aktueller Themen zu sehen; jeder Tag kann neue Geschehnisse hervorrufen. Wir Menschen im AwarenessTeam sind keine Profis und können/wollen keine sein. Wir sind offen für Neues und Kritik, darum kontaktiert uns gerne und jederzeit über awareness@dresden-nazifrei.com
Wer sind wir und wann?
Wir sind Ansprechpartner*innen und Vermittler*innen bei grenzüberschreitendem, übergriffigem und diskriminierendem Verhalten. Oder wenn du einfach „nur“ reden magst. Wir sind jedoch keine ausgebildeten Notfall-Seelsorger*innen.
Jede einzelne Veranstaltung der Aktionswoche kann für sich allein schon eine große Herausforderung darstellen, und für viele Personen eine Erfahrung sein, die bewegend und anstrengend, herausfordernd und auch verstörend sein kann. Wir alle erleben uns in Ausnahmesituationen anders und wie wir darauf reagieren, hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Wir möchten auch festhalten, dass nichts „Handfestes“ oder „Ernstes“ passieren muss, um Awareness-Strukturen in Anspruch zu nehmen. Gefühle und Gedanken sind real und können Aufmerksamkeit und Zuwendung erfordern.
Es gibt einige Themengebiete, die nicht in unseren Aufgabenbereich fallen.
Wenn du dich körperliches nicht gut fühlst, sind Sanitäter*innen vor Ort. Leider können Demosanis nicht immer überall sein! Deshalb gilt: Ruft in akuten Notfällen (z.B. Atemnot oder Bewusstlosigkeit) selber und direkt den Notruf „112“. Wir können dir trotzdem behilflich sein, Sanis zu organisieren, jedoch können sie dir in diesem Falle eindeutig besser helfen. Das gleiche betrifft auch diesen Fall:
Wenn ihr nach der Aktion über psychische Folgen von Repression und Gewalt im Kontext von linkem politischen Widerstand sprechen möchtet, findet ihr Kontakte in den verschiedenen Städten unter https://outofaction.blackblogs.org/
Innerhalb von Dresden könnt ihr euch auch an den Psychosozialen Krisendienst des Gesundheitsamts Dresden (0351 4 88 53 41), das Dresdner Krisentelefon „Telefon des Vertrauens“ (0351 8 04 16 16), die Opferhilfe Dresden e. V (0351 8 01 01 39) und vor allem auch die Opferberatung (Beratungsstelle für Betroffene rechter und fremdenfeindlicher Gewalt) der Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie e. V. (RAA) (0351 8 89 41 74 oder 0172 9 74 12 68) wenden.
Was bedeutet Diskriminierung?
„Unter „Diskriminierung“ verstehe ich […] „die Verwendung von kategorialen, das heißt vermeintlich eindeutigen und trenn- scharfen Unterscheidungen zur Herstellung, Begründung und Rechtfertigung von Ungleichbehandlung mit der Folge gesellschaftlicher Benachteiligungen […]. Den Diskriminierten wird der Status des gleichwertigen und gleichberechtigten Gesellschaftsmitglieds bestritten; ihre faktische Benachteiligung wird entsprechend nicht als ungerecht bewertet, sondern als unvermeidbares Ergebnis ihrer Andersartigkeit betrachtet.“ (Scherr 2016: 3) […] Damit [produziert] Diskriminierung gleichzeitig strukturelle Herrschafts- und Unterdrückungsverhältnisse.“
Bönkost, Jule (2016): De_Stabilisationsdreieck: Ein Werkzeug für diskriminierungskritische Lehre. Veröffentlicht beim Antirassistisch- Interkulturellen Informationszentrum ARiC Berlin e. V.
Scherr, Albert (2016): „Diskriminierung/Antidiskriminierung – Begriffe und Grundlagen“. Aus Politik und Zeitgeschichte 9, 3-10.
Beim Thema Diskriminierung ist die Solidarität mit BIPoCs (Schwarz, Indigen und Personen of Color) besonders wichtig. Dazu gehört auch, auf weiße Privilegien hinzuweisen. Diese werden z.B. sichtbar, wenn weiße Menschen rassistische Situationen nicht erkennen, nicht mitbekommen und sich nicht solidarisieren. BIPoC haben aufgrund von rassistischen Zuschreibungen eine viel höhere Wahrscheinlichkeit von Repression und rassistischer Polizeigewalt betroffen zu sein. Bei Demonstrationen fühlen sich viele weiße Menschen von der (größtenteils weißen) Masse vor Repression geschützt. Gemeinsam müssen wir Wege finden, sodass auch BIPoC sich in der Masse geschützter fühlen können.
Auch sexistisches Verhalten und sexualisierte Gewalt wollen wir auf unseren Veranstaltungen nicht tolerieren.
Einige (natürlich nicht alle!) Diskriminierungsformen
Rassismus
beschreibt die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer zugeschriebenen ethnischen Zugehörigkeit und kulturellen Merkmalen oder Herkunft.
Sexismus
meint die Diskriminierung aufgrund des zugeschriebenen Geschlechts (gender), ebenso wie erwartete Verhaltensweisen und Stereotypen, wobei männlich gelesenen Menschen strukturell institutionalisierte Privilegien zukommen.
Klassismus
meint die Diskriminierung von Menschen in Bezug auf ihren gesellschaftlichen Status.
Homofeindlichkeit
bezeichnet die Diskriminierung gegen lesbische, schwule und queere Menschen.
Bifeindlichkeit
beschreibt die Diskriminierung gegenüber bisexuellen Menschen.
Cis-Sexismus
bezeichnet die Diskriminierung von Trans*-Menschen und nicht-binären Menschen, also Personen, welche sich nicht dem binären Geschlechtersystem zuordnen. Mit cis-Personen sind solche Personen gemeint, deren Gender-Identität mit dem ihnen bei der Geburt zugeschriebenen Geschlecht übereinstimmt.
Ableismus
bezeichnet die Diskriminierung gegenüber Menschen, denen eine geistige und/oder körperliche „Beeinträchtigung“ zugeschrieben wird.
Antisemitismus
meint die Feindlichkeit gegenüber Jüdinnen und Juden.
GADJE Rassismus
bezieht sich auf die Diskriminierung, Ausgrenzung und Ablehnung gegenüber Sinti und Sintize sowie Roma und Romnija.
Lookismus
bezeichnet die strukturelle Diskriminierung in Form von Abwerung gegenüber bestimmter Körper (-formen) und Aussehen; oft einhergehend mit einer Zuschreibung von negativen Charaktereigenschaften und Vorurteilen.
Altersdiskriminierung/Ageism
bezeichnet die soziale, politische und ökonomische Benachteiligung von Menschen aufgrund ihres Alters.
Intersektionalität
Die Diskussion einzelner Diskriminierungsgründe nur getrennt zu behandeln entspricht häufig nicht der Realität betroffener Menschen. Oft kommt es zu einer Überschneidung von Diskriminierungsmerkmalen, wobei verschiedene Formen der Diskriminierung interagieren und sich gegenseitig verstärken.
Was könnt ihr tun?
Auf den Veranstaltungen der Aktionswoche kommen viele Menschen mit unterschiedlichen Vorgeschichten, Fragen und Bedürfnissen zusammen. Wir möchten euch dazu einladen, ein Klima zu schaffen, in dem sich alle Menschen wohl fühlen können und wir…
- diskriminierendes Verhalten thematisieren können
- uns trauen nachzufragen, wenn wir etwas nicht verstanden haben
- Fachwörter und Szene-Codes erklärt werden, um alle in Gespräche einzubeziehen
- darauf achten, wer wie viel spricht, wer nicht und warum nicht
- ob alle in ihren Bedürfnissen gesehen werden
- uns trauen können zu „sein“
- selbstverantwortlich mit unseren Grenzen und den Grenzen anderer umgehen
- beginnen unsere Privilegien zu reflektieren und einen sensibilisierten Umgang zu üben
Was tun…
…wenn ich grenzüberschreitendes oder diskriminierendes Verhalten erlebe?
…wenn ich mich grenzüberschreitend oder diskriminierend verhalte?
Die Herausforderung einer*s jeden von uns ist es, dass wir in Gesellschaften aufgewachsen sind, in denen Ausgrenzungen und Unterdrückungen alltäglich sind. Privilegien, diskriminierendes Verhalten und Grenzüberschreitungen betreffen die Veranstaltungen der Aktionswoche genauso wie unseren Alltag. Für Betroffene sind die Erfahrungen schmerzhaft und erzeugen häufig ein Gefühl der Ohnmacht und Hilflosigkeit, unabhängig davon, ob auslösendes Verhalten bewusst oder unbewusst stattfindet.
Auf Seiten der privilegierten Person können Verhaltensweisen und Aussagen so normalisiert sein, dass sie nicht als Diskriminierung und Grenzüberschreitung wahrgenommen werden. Das eigene Erkennen von Privilegien ist essentiell, um gemeinsam auf dem Weg in eine solidarische, emanzipatorische Welt weiterzugehen – frei von Herrschaft und Diskriminierung.
Wenn du dich deiner Grenzen überschritten oder diskriminiert fühlst, kannst du dich mitteilen. Einer Person deines Vertrauens oder einem Menschen aus dem Awareness Team (das Team trägt bunten Warnweste). Das kann Dir womöglich helfen das Geschehene zu reflektieren, einzuordnen und den Gefühlen Raum zu geben, die damit verbunden sind. Jede*r kann nur für sich selbst entscheiden, wann sie*_er* eine Grenzüberschreitung erlebt hat, wie sich diese anfühlt und wie sie*_er* dabei unterstützt werden möchte, um sich wieder selbst zu ermächtigen. Wenn du willst, suche das Gespräch mit den Personen aus der Situation, die du als grenzüberschreitend/diskriminierend erlebt hast, vielleicht möchtest du eine dritte Person hinzuziehen z.B. eine Person aus dem AwarenessTeam. Dazu bist du jedoch nicht verpflichtet! Sei dir bewusst, dass du keinerlei Erklärung schuldig bist – du alleine ziehst deine Grenzen und es kann sehr anstrengend sein, anderen immer wieder erklären zu müssen, wo diese liegen. Deshalb liegt die Verantwortung für ein achtsames Miteinander bei den Personen, die Privilegien besitzen, welche anderen verwehrt bleiben. Lest, hört zu, tauscht euch aus – und vermeidet ein Ausfragen von betroffenen Personen, um euren Un_Wissenstand auszubessern. Es ist nicht die Aufgabe der Betroffenen, andere zu „belehren“ und dabei immer wieder von schmerzhaften Erfahrungen erzählen und diese dadurch wiederholt durchleben zu müssen.
Wenn du auf deine Privilegien aufmerksam gemacht wirst, möchten wir dich einladen, diesem Hinweis offen zu begegnen und der Person, die dein Verhalten möglicherweise als grenzüberschreitend oder diskriminierend erlebt hat, Raum, Verständnis und Wertschätzung entgegen zu bringen. Sei dir bewusst, dass nicht du, sondern dein situationsabhängiges Verhalten Ursache für die Reaktion sind.
Diese Fragen im Hinterkopf helfen dir vielleicht weiter über das Thema nachzudenken: Welche gesellschaftlichen Strukturen begünstigen Hierarchien und Diskriminierungen? Wo stehe ich selbst in diesem Geflecht aus Hierarchien, Diskriminierungen und Privilegien? Welche (gesellschaftlichen) Veränderungen können diese verändern bzw. beenden? Und was gibt Betroffenen Kraft und Selbstbestimmung (zurück)?
Jede*r von uns hat einen ganz persönlichen Un_Wissensstand. Dieser ist stark durch gesellschaftliche Strukturen geprägt. Daher kann es dein Privileg sein, wenn du bisher nicht mit einem bestimmten Thema konfrontiert wurdest oder Zeit hattest dich in ein anderes in Tiefe einzuarbeiten. Wir möchten dich einladen, dein Un_wissen und das der anderen respektvoll zu behandeln und in einen produktiven Austausch zu treten. Versuch, beim Teilen deines Un_Wissens, Fachbegriffe oder Szene-Begriffe zu erklären oder zu erfragen, um Sprachbarrieren abzubauen. Holt Dritte dazu, wenn ihr alleine nicht weiterkommt!
Vielleicht kannst du dich an deine Erfahrungen und Gedanken erinnern, als ein Thema frisch in deinem Leben aufgetaucht ist. Sei in Gesprächsgruppen behutsam mit der Annahme von Selbstverständlichkeiten! Beteiligte, die bestimmte Namen, Begriffe oder Witze nicht kennen, können sich schnell als ausgeschlossen erleben.
…wenn du glaubst Zeug*in einer diskriminierenden und/oder grenzüberschreitenden Situation zu werden?
Sei dir zuerst bewusst, dass du nicht die betroffene Person bist, und dass ein Eingreifen in die Situation von jedem Menschen anders aufgefasst werden kann. Überlege dir gegebenenfalls dann, ob du dich dazu in der Lage fühlst, in die Situation hineinzugehen. Wenn nicht wende dich an andere Menschen oder das AwarenessTeam. Falls du dich dazu entscheidest, dich einzubringen, frage die ‚betroffene‘ Person, ob du sie kurz zur Seite nehmen kannst. Frage sie, ob es ihr in der Situation, die du beobachtet hast gut geht. Stelle dich kurz als Awareness-Person vor. Falls die Person in dem Moment deine Hilfe nicht annehmen möchte oder kann, weiß sie, wie du aussiehst und kann evtl. später auf dich zurückkommen. Allein ein „Hey, ich bin hier!“ zeigt sowohl der betroffenen Person, als auch ihrem Gegenüber, dass mindestens ein weiterer Mensch ein Auge auf die Situation hat und sich mit der betroffenen Person solidarisiert. Dränge deine Beobachtung der betroffenen Person nicht auf! Sie allein hat die Definitionsmacht; es zählt was sie wahrnimmt. Beachte die Wünsche und Bedürfnisse der betroffenen Person.
Achte auf deine eigenen Grenzen! Wenn du mit einer Situation nicht klar kommst/dich überfordert fühlst, überlege, wie du andere Personen oder das AwarenessTeam zur Unterstützung dazu holen kannst (wenn dies von der betroffenen Person erwünscht ist).
Möchte die Person keine Unterstützung, dann respektiere das und mach die Person darauf aufmerksam, dass sie sich jederzeit an das AwarenessTeam wenden kann.