Station 4: Elbwiesen am Finanzministerium – Treuekundgebung am 21. Juli 1944

Am 20. Juli 1944 war nur zwei Meter neben Adolf Hitler während einer Lagebesprechung eine Bombe detoniert. Die Explosion sollte den „Führer“ töten und damit das NS-Regime stürzen. Doch Adolf Hitler überlebte. Bereits am Folgetag des Anschlags empfahl Propagandaminister Joseph Goebbels die Ausrichtung von Treuekundgebungen. Erst vier Tage nach dem gescheiterten Attentat erließ das Propagandaministerium schließlich eine Anweisung zu Form und Inhalt der Massenkundgebungen.[1]Vgl. K. Hermann, Der „Führerbesuch“ 1934 und die „Treuekundgebung“ 1944 in Dresden, S. 76f.

Video von der vierten Station des Mahngangs vom 7. Februar 2021 – gegenüber dem Königsufer

Zu diesem Zeitpunkt hatte eine solche Veranstaltung in Dresden längst stattgefunden, wie die Dresdner Zeitung berichtete:

„,Treuekundgebung für den Führer!‘ – Vier Worte sind es, die am Freitag die Stadt durcheilen. Und am Abend ergießt sich ein Strom von Volksgenossen hin zum Königsufer, so stark, daß die Straßenbahnen auf den Brücken Schritt fahren müssen. Zehntausende sind es. Da steht der Altgardist […] neben dem Pimpf, dessen Herz dem Führer gehört. Da sind Frauen und Mädchen, die noch ein, zwei Stunden vorher an ihrem Arbeitsplatz standen […]. Soldaten des Heeres, der Luftwaffe, Männer der Waffen-SS […] haben sich eingefunden. Kriegsblinde, Schwerversehrte, an Krücken oder im Rollstuhl sind gekommen. Auch sie treibt ihr Herz heute hier her, sie fühlen sich verbunden mit dem Volke, mit der Heimat […] Immer größer wird die Menge der Gekommenen. Sogar […] auf der Brühlschen Terrasse stehen Menschen dicht an dicht.“[2]Dresdner Zeitung, Nr. 170 vom 22.07.1944.

Die NS-Propaganda betonte den spontanen Charakter der Kundgebung.[3]Vgl. Dresdner Zeitung, Nr. 170. Dass diese durchgeplant war, beweisen allein die Anwesenheit und Reden der sächsischen NS-Führungsriege. Aber nicht nur das. Bereits am Tag der Veranstaltung erschien in der Dresdner Zeitung folgender Aufruf: „Nun erst recht! Alles für den Führer! Alles für den Sieg! Die Dresdner Bevölkerung trifft sich heute […] um 19:30 Uhr, am Königsufer zur Treuekundgebung.“[4]Dresdner Zeitung, Nr. 169 vom 21.07.1944. Und tatsächlich füllten sich am späten Nachmittag die Elbwiesen mit Menschenmassen.

Doch wann wurde das Königsufer zu einem Ausrichtungsort für politische Massenkundgebungen? Bereits um die Jahrhundertwende hatte der Architekt Hans Erlwein einen Umbau des Uferbereiches angeregt. Die Umgestaltung des Königsufers sollte jedoch erst 1933 erfolgen und bildete das bedeutendste Projekt des nationalsozialistischen Stadtumbaus in Dresden. Stadtbaurat Paul Wolf entschied sich gegen den Bau einer Hochuferstraße und für die Erhaltung der Bürgergärten. 1936 öffnete schließlich der Rosengarten, an den sich der Staudengarten anschloss. Neben den beiden Grünanlagen wurde der Abschnitt, den Sie hier sehen, für Aufmärsche konzipiert. Auf der Böschung unterhalb des Finanzministeriums entstand eigens dafür eine Tribünenanlage mit Rednerpodest. Paul Wolf bezeichnete den Raum daher als Platz für nationale Kundgebungen. Das eindrucksvolle und berühmte Stadtbild vor Augen sollten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kundgebung des sächsischen Gaus hier versammeln. Unter Hinzunahme des Altstadt-Ufers mitsamt der Brühlschen Terrasse sowie der beiden Brücken würde der Platz zu einem einzigartigen, gewaltigen, unter freiem Himmel liegenden „Festraum“ für 300 000 Menschen erweitert, schwärmte Wolf.[5]Vgl. H. Ellrich, Dresden 1933-1945, S. 38-41.

Zu einem solchen „Festraum“ sollte das Königsufer am 21. Juli 1944 schließlich werden. Männer und Frauen, Jung und Alt waren gekommen, um dem „Führer“ ihre Treue kundzutun. Die Zahl derer, die Freitagabend auf dem riesigen Kundgebungsplatz zusammengekommen waren, sei laut der lokalen Zeitungen von einmaliger Größe gewesen.[6]Vgl. Dresdner Zeitung, Nr. 170 = Freiheitskampf, Nr. 200 vom 22.07.1944 = Freiheitskampf Nr. 201 vom 23.07.1944 Welche Bedeutung die Treuekundgebung tatsächlich für die Bevölkerung hatte, lässt sich nur schwer abschätzen. In seiner Autobiografie beschreibt der Dresdner Politiker Gerhart Baum die Veranstaltung wie folgt: „Es gab eine große Kundgebung auf den Elbwiesen gegenüber dem Schloss. Eine Treuekundgebung mit dem Jungvolk und Tausenden von Leuten, die man zusammengekarrt hatte, um der sogenannten Vorsehung zu danken, dass Hitler überlebt hatte.“[7]G. Baum, Meine Wut ist jung, S. 15. Sowohl der Dresdner Anzeiger als auch die nationalsozialistische Tageszeitung „Der Freiheitskampf“ propagieren eine Menschenmenge von zehntausenden Anhängern. Fotos und die Ausführungen Gerhart Baums, lassen jedoch eine deutlich geringere Anzahl von Teilnehmern vermuten.[8]Vgl. G. Baum, S. 15 = Dresdner Zeitung, Nr. 170. Ein gewisses Maß an Mobilisierung ist der Treuekundgebung jedoch nicht abzusprechen. Hier, im Herzen der Stadt zeigte sich die fatale Bindung eines großen Teils der Dresdner Bevölkerung an das NS-Regime. Die Gauhauptstadt schien im Sommer 1944 als geschlossene Volksgemeinschaft hinter ihrem „Führer“ zu stehen.

Auch heute noch lädt der Rosengarten zum Flanieren ein. Die Elbwiesen mitsamt der einmaligen Aussicht auf das Stadtbild füllen sich jeden Sommer aufs Neue und der frühere Kundgebungsplatz vor dem Finanzministerium ist beliebter Austragungsort für Konzerte und Freiluftkinos geworden. Jeder kann vom grünen Zentrum der Stadt profitieren. Doch das war nicht immer so. Ab 1940 wurde den jüdischen Bürgern der Zugang zum Königsufer verwehrt. Die nationalsozialistische Gesellschaft entwickelte sich zu einer eingeschworenen Volksgemeinschaft, die sich über Ausgrenzung definierte.

Literaturverzeichnis

ELLRICH, Hartmut: Dresden 1933-1945. Der historische Reiseführer, Berlin 2008.

HERMANN, Konstantin: Der „Führerbesuch“ 1934 und die „Treuekundgebung“ 1944 in Dresden, in: HERMANN, Konstantin (Hrsg.): Führerschule, Thingplatz, „Judenhaus“. Orte und Gebäude der nationalsozialistischen Diktatur in Sachsen, Dresden 2014, S. 74-77.

Quellenverzeichnis

BAUM, Gerhart: Meine Wut ist jung. Bilanz eines politischen Lebens, München 2012.

Dresdner Zeitung, Nr. 169 vom 21.07.1944.

Dresdner Zeitung, Nr. 170 vom 22/23.07.1944.

Der Freiheitskampf. Dresdner Morgenzeitung, Nr. 200 vom 22.07.1944.

Der Freiheitskampf. Dresdner Morgenzeitung, Nr. 201 vom 23.07.1944.

Quellenangaben

Quellenangaben
1 Vgl. K. Hermann, Der „Führerbesuch“ 1934 und die „Treuekundgebung“ 1944 in Dresden, S. 76f.
2 Dresdner Zeitung, Nr. 170 vom 22.07.1944.
3 Vgl. Dresdner Zeitung, Nr. 170.
4 Dresdner Zeitung, Nr. 169 vom 21.07.1944.
5 Vgl. H. Ellrich, Dresden 1933-1945, S. 38-41.
6 Vgl. Dresdner Zeitung, Nr. 170 = Freiheitskampf, Nr. 200 vom 22.07.1944 = Freiheitskampf Nr. 201 vom 23.07.1944
7 G. Baum, Meine Wut ist jung, S. 15.
8 Vgl. G. Baum, S. 15 = Dresdner Zeitung, Nr. 170.
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