An dieser Stelle befanden sich im städtischen Gebäude Theaterstraße die Gesundheitspolizei der Stadt Dresden, die Gesundheitsbehörde und die Abteilung Erb- und Rassenpflege. Hier wurde über die Ehetauglichkeit eines angehenden Paares entschieden.
Im nationalsozialistischen Deutschland durften nach dem Ehegesundheitsgesetz Ehen nicht geschlossen werden, wenn einer der Verlobten „an einer mit Ansteckungsgefahr verbundenen Krankheit oder an eine geistigen Störung litt oder eine Erbkrankheit im Sinne des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vorlag.“ Eine Ehe sollte für die Volksgemeinschaft wünschenswert sein, ansonsten hatte sie keine Berechtigung. Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14.Juli 1933 schloss dabei neben Schizophrenie, sogenannten „angeboren Schwachsinn“ und bipolaren Störungen auch Epilepsie, die Huntington-Krankheit, erbliche Blind- und Taubheit sowie körperliche Missbildungen ein. Das Gesetz lieferte die juristische Grundlage für die Zwangssterilisation von etwa 400.000 Männer und Frauen mit vermeintlichen erblichen Krankheiten. Dabei kamen 6.000 Menschen zu Tode.
Begleitet wurde die Einführung des Gesetzes von der Gleichschaltung der deutschen Ärzteschaft. Mit Hilfe des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wurden an wichtigen Stellen besonders linientreue und mit der Rassenhygiene besonders vertraute Ärzte eingesetzt.
Heinrich Eufinger, seit 1933 Mitglied der SA und NSDAP, ab 1935 auch in der SS, war einer dieser Ärzte. Ein Arzt, der von den rassenhygienischen Theorien des Nationalsozialismus überzeugt war und diese mit gestaltete und ausführte. Im Laufe seiner Karriere stieg er bis zum SS-Obersturmbannführer auf, erhielt mehrere Auszeichnungen und trug diese mit Stolz zur Schau.
Zwischen 1937 und 1945 war Eufinger Chefarzt in der gynäkologischen Abteilung des Friedrichstädter Krankhauses. Dieses gehörte ab 1933 zu den ersten Kliniken in Dresden, die die Berechtigung zur Zwangssterilisation für Frauen erhielten. Unter der Leitung Eufingers wurden insgesamt 708 Frauen zwangssterilisiert. Obwohl die Unterlagen unvollständigen sind, lag Dresden in Ausmaß und Anzahl immer mit an der Spitze bei der Durchführung der Zwangssterilisationen im Reichsgebiet.
Bis zum Ende des Krieges blieb Eufinger Chefarzt in der Frauenklinik Friedrichstadt und ist somit Hauptverantwortlicher der dort stattgefundenen Zwangsterilisationen. Aufgrund seiner SS-Zugehörigkeit kam er von November 1945 bis 1948 in Internierungshaft ins Lager Mühlberg, etwa 25km nördlich von Riesa. Dort erhielt er den Posten des Hauptarztes. Durch sein ärztliches Können genoss er hohes Ansehen bei den Besatzer*innen, was ihn später vor einer Verurteilung als Naziverbrecher schützte. So konnte er später unbehelligt in seiner Villa auf der Wiener Straße weiterleben und seine Karriere als angesehener Arzt wieder aufnehmen. Eufinger erhielt 1953 die Auszeichnung zum „Verdienten Arzt des Volkes“, trotz seiner NSDAP, SA und SS Mitgliedschaft sowie die Verantwortung über die Zwangssterilisation von 700 Frauen in Dresden.
Als seine Ernennung zum außerplanmäßigen Professor an der Medizinischen Akademie Dresden scheiterte, siedelte die Familie Eufinger 1956 nach Wilhelmshaven über. Am 1. Januar 1957 wurde Eufinger Chefarzt der Frauenklinik Sanderbusch bei Oldenburg. Bis zu seinem Tod im Jahr 1988 war Eufinger ein angesehener Arzt, der sich nie für seine Verbrechen verantworten musste.
Auch andere wichtige Protagonist*innen der sogenannten Rassenhygiene mussten sich nie für ihre Verbrechen verantworten. So auch der ranghohe sächsische Ministerialbeamte und somit maßgebliche Organisator der nationalsozialistischen Krankenmorde Alfred Fernholz. Dieser trieb die Ausgrenzung und Ermordung von als lebensunwert stigmatisierte Psychatriepatient*innen und Menschen mit Behinderung zwischen 1939 und 1945 ideologisch und organisatorisch voran. Dabei trug er maßgeblich zur Ermordung von 700 Dresdner Bürger*innen bei, die ihr Leben verloren, weil sie psychisch krank oder behindert waren. Er war maßgeblich an der Aktion T4 beteiligt, so versuchte seine Abteilung die Gas-Morde an Psychiatriepatient*innen zu befördern in dem die Todestransporte zum Sonnenstein in Pirna intensiviert werden sollten. Nach der Einstellung der Gasmorde im August 1941 beförderte er und leitende Mitarbeiter seiner Abteilung, die Fortführung mit anderen Mitteln. So wurden die Krankenmorde ab diesen Zeitpunkt durch Medikamente und systematischem Nahrungsentzug weitergeführt.
Insgesamt wurden in der Zeit von 1939-1945 in Deutschland 200.000 wehrlose Menschen, durch die „Aktion-T4“ umgebracht. Ihre Leben wurden als „lebensunwert“ bezeichnet, ihre Ermordung nannte man „Euthanasie“. Die Täter*innen waren Wissenschaftler*innen, Ärzte, Pfleger*innen und Angehörige der Polizei. Die Opfer waren hilfebedürftig, arm, verzweifelt oder aufsässig. Verwaltungsangestellte befanden über die Daseinsberechtigung von Menschen.
Die Zahl der Opfer ist groß, gering die Zahl der verurteilten Täter.
Umso wichtiger ist es, an die oftmals vergessenen Opfer zu erinnern, die Orte der Verbrechen offenzulegen und sozialdarwinistische und sozialchauvinistischste Ideen in der Gegenwart zu bekämpfen.