Das Heimatwerk Sachsen war die Schaltstelle in der Organisation der Kulturarbeit im Gau Sachsen und hatte seinen Sitz hier am Schlossplatz in der Staatskanzlei. Es war Ausgangspunkt zahlreicher Veranstaltungen, Schauen und Messen, die in Sachsen stattfanden. Gegründet wurde es 1936 durch Funktionäre aus Staat und NSDAP als „Heimatwerk Sachsen. Verein zur Förderung des sächsischen Volkstums e.V.“[1]Herz, Operation Sachsenstolz, S. 104..
Der Vereinsstatus diente zur Rechtfertigung der Einordnung aller Vereine im Gau Sachsen. Die Führungsriege bestand aus sieben Männern aus NSDAP und Gauleitung. Unter der Schirmherrschaft des Sächsischen Gauleiters Martin Mutschmann inszenierten so Werner Vogelsang, Max Günther und Friedrich Emil Krauß den Gau Sachsen und allen voran das Erzgebirge als Grenzland. Damit sollten die Sachsen als die perfekte Blutsmischung des Deutschen dastehen.
Ihnen wurde nahegelegt, sie besäßen gestählte Körper von der Arbeit auf den Feldern und dem Kampf gegen die tschechischen Hussiten. Über eintausend Jahre habe sie dieser Kampf zu maskulinen Kämpfern geformt. Das sollte sich in der Leistungsfähigkeit der sächsischen und vor allem erzgebirgischen Bevölkerung zeigen. Zu diesem Kampf um Blut und Boden zählten die Nationalsozialisten auch die ausgeprägte Feierabendkultur des Erzgebirges, hier drückte sich die Nähe zur Heimat aus. Darin zeige sich ein vorbildhafter Deutschen, der sich für Führer und Vaterland nach der Arbeit noch hinsetzt und schnitzt.[2]Freiheitskampf, 29.11.1937, S. 1. Daher wurden vielzählige Ausstellungen zwischen 1936 und dem Ende des Krieges organisiert. Eine davon fand November 1937 bis Januar 1938 statt: die „Feierohmd“-Schau in Schwarzenberg. Sie dauerte zwei Monate an und war die erfolgreichste Ausstellung des Heimatwerks. Sie wurde über 330.000 mal besucht.
Arthur Graefe war Mitbegründer und der geschäftsführende Vorsitzende des Heimatwerks Sachsen. Für ihn sollte der Verein alles umfassen, was mit dem sogenannten völkischen Leben in der Heimat zusammenhing. Dabei sollte die Leistungsbereitschaft jeder einzelnen Person „durch charakterliche und wissensmäßige Weiterbildung“ erhöht werden.[3]Graefe, Die Gemeinde und das Heimatwerk Sachsen, S. XXI. Curt Robert Lahr, Leiter der sächsischen Staatskanzlei und Mitbegründer des Heimatwerks, äußerte hier frei einen „Totalitätsanspruch an den ganzen Menschen“.[4]Ibid. Im Detail wurde das Heimatwerk also unter anderem beauftragt, gegen Karikaturen von Sachsen und ihrer Sprache vorzugehen.
Außerdem war es zuständig für „Propaganda für die Wahrheit: Kultur, Wirtschaft, Landschaft, Volkstum in Sachsen“. Die Sachsen sollten „zu Heimatstolz, Sprechdisziplin[5]Freiheitskampf, 22.12.1937, S. 9. und soldatischer Haltung“ erzogen werden.[6]Zit. nach Herz, Operation Sachsenstolz, S. 108. Ein Mitarbeiter Martin Mutschmanns erklärte, wie dieser Anspruch durch das Volkstum verwirklicht werden sollte. Die Menschen sollten zu Gliedern einer exklusiven Gemeinschaft erzogen werden, für die sie ihr Leben Opfern würden. Für Mutschmanns Mitarbeiter war das Volkstum ausschlaggebend, um Menschen „zu Charakterfestigkeit [und] stolzer herrischer Haltung zu erziehen“. Es sollte ihren „Alltag verinnerlichen und [ihnen] so letzten Endes zur Religion werden.“[7]Zit. nach Schaarschmidt, Kulturpolitik, S. 107.
Wie sich die Arbeit des Heimatwerks nun im Einzelnen auf die Bevölkerung auswirkte, lässt sich mit der „Feierohmd“-Schau von 1937/38 zeigen. Mit einem Blick auf die Besucherzahlen wird klar, dass augenscheinlich unpolitische Ausstellungen deutlich mehr Zulauf erhielten als die mit klarer nationalsozialistischer Prägung. Der ideologische Inhalt war dennoch zentral, obwohl er nur nicht als solcher hervorgehoben wurde. Die „Feierohmd“-Schau übertraf alle Erwartungen der Besucherzahlen, besonders die „ungewöhnlich hohe Zahl der privaten Einzelbesucher“ ist hier ein Indikator der Beliebtheit, heißt es im NSDAP-Blatt Freiheitskampf.[8]Vgl. Freiheitskampf vom 01.12.1937 S. 11; 02.12.1937, S. 19; 11.12.1937, S. 9; 12.12.1937, S. 15; 12.01.1938, S. 1; sowie 18.01.1938, S. 1-2.
In gebuchten Sonderfahrten für Schülerinnen und Schüler zur „Volkstumspflege und „Charakterbildung“, kamen viele Deutsche freiwillig, um sich die Schnitzereien und Schwibbögen im Zeichen des Nationalsozialismus anzusehen. Sie kamen vorwiegend aus Sachsen, aber die Schau lockte Menschen aus allen Ecken des Reichs in den Gau. Ein konkretes Beispiel dafür, wie der Nationalsozialismus bis heute existiert, ist das womöglich am weitesten verbreitete Schwibbogenmotiv mit dem Meißner Wappen mittig im oberen Teil, gehalten von zwei Bergmännern. Dieses geht auf das Wappen des Heimatwerks zurück, dass die Meißner Schwerter in einem Rechteck sowie den Schriftzug „Sachsen“ darunter enthält. Vor dem Hintergrund der Zeit gedacht stellt das Wappen einen Ersatz für das Hakenkreuz dar.
Das Heimatwerk stand in direkter Verbindung mit den Heimatvereinen in Sachsen, denn sie stellten die Schnitzereien für die „Feierohmd“-Schau zur Verfügung. Doch die Vereine reagierten unterschiedlich darauf, sich in das Heimatwerk einzugliedern, welches als Dachorganisation in Sachsen etabliert werden sollte. Der Erzgebirgsverein, damals einer der größten Vereine des Erzgebirges, schloss sich bereits 1937 an das Heimatwerk an. Der sächsische Heimatschutzverein dagegen schoss mehrere Haken zwischen den verschiedenen Dachorganisationen des Reiches. Eine schrittweise Annäherung an das nationalsozialistische Gedankengut vollzog sich dennoch.
Es kann also weder die Rede von einer alleinigen Gleichschaltung von oben noch von einer Selbstgleichschaltung von unten gesprochen werden. Vielmehr ist hier zu sehen, wie beide Ansätze zusammen agierten. Kurskorrekturen durch das Heimatwerk erfuhren die Heimatvereine nur, wenn sie die ihnen gegebenen Freiheiten überdehnten. Langfristig näherten sich die Menschen in den Heimatvereinen so freiwillig dem Nationalsozialismus an und integrierten sich selbst.[9]T Schaarschmidt, Regionalkultur und Diktatur, Seite 509 Doch es gab nicht nur die Heimatvereine und das Heimatwerk in Sachsen. Das Deutsche Reich bestand aus weiteren Millionen Deutschen, die mit dieser Art und Weise systemstabilisierend wirkten. So arbeiteten sie schließlich mit an dem Ziel eines großen Krieges und waren letztendlich keine Opfer des Systems, sondern Täterinnen und Täter.
Quellen
„25 000 besuchten die ‚Feierohmd-Schau‘.“ Der Freiheitskampf. Dresdner Stadtausgabe, 02.12.1937. Seite 19.
„71 000 besuchten die Feierohmd-Schau.“ Der Freiheitskampf. Dresdner Stadtausgabe, 11.12.1937. Seite 9.
„Die BDM-Untergauführerinnen in der Feierohmd-Schau.“ Der Freiheitskampf. Dresdner Stadtausgabe, 12.12.1937. Seite 15.
„‚Feierohmd‘-Bilanz.“ Der Freiheitskampf. Dresdner Stadtausgabe, 18.01.1938. Seiten 1-2.
„Gemeinschaftskunst sichert unsere Bodenverbundenheit.“ Der Freiheitskampf. Dresdner Stadtausgabe, 29.11.1937. Seite 1.
„Rekordbesuch der „Feierohmd“-Schau.“ Der Freiheitskampf. Dresdner Stadtausgabe, 12.01.1938. Seite 1.
„Verpflichtung zur Hochsprache.“ Der Freiheitskampf. Dresdner Stadtausgabe, 22.12.1937. Seite 9.
„Viele Leute in einer kleinen Stadt.“ Der Freiheitskampf. Dresdner Stadtausgabe, 01.12.1937. Seite 11.
Graefe, Arthur. „Die Gemeinde und das Heimatwerk Sachsen“, in: Gruber, Kurt (Hrsg)., Der Gau Sachsen. Ein Buch der Grenzlandheimat, Dresden 1938. S. XX-XXVI.
Bibliografie
Herz, Dieter. „Operation Sachsenstolz. Zu Anspruch und Methode des „Heimatwerks Sachsen“ (1936-1945).“ In: Seifert, Manfred (Hrsg)., Zwischen Emotion und Kalkül, ‚Heimat‘ als Argument im Prozess der Moderne. Leipziger Universitätsverlag, 2010. S. 103-126.
Schaarschmidt, Thomas. Regionalkultur und Diktatur. Sächsische Heimatbewegung und Heimat-Propaganda im Dritten reich und in der SBZ / DDR. Böhlau Verlag, Köln, 2004.
Schaarschmidt, Thomas. „Kulturpolitik im Lande eines Kunstbanausen? Die sächsische Gauleitung und das ‚Heimatwerk Sachsen'“, in: Vollnhals, Clemens (Hrsg.), Sachsen in der NS-Zeit. Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig, 2002. S. 104-117.
Schaarschmidt, Thomas. „Die regionale Ebene im zentralistischen „Führerstaat“ – das Beispiel des NS-Gaus Sachsen“, in: Richter, Michael (et al.) (Hrsg.), Länder, Gaue und Bezirke. Mitteldeutscher Verlag, Dresden, 2007. S. 125-140.
Schaarschmidt, Thomas. „Die ‚Feierohmd-Schau‘ 1937/38 im Realgymnasium Schwarzenberg – Das erzgebirgische Weihnachtsland im Zeichen des Heimatwerks“, in: Hermann, Konstantin (Hrsg.), Führerschule, Thingplatz, „Judenhaus“ – Orte und Gebäude der nationalsozialistischen Diktatur in Sachsen. Sandstein Verlag, Dresden, 2004. S. 159-161.
Schaarschmidt, Thomas. „Die Zentrale des ‚Heimatwerks Sachsen‘ im ehemaligen Ständehaus, Schloßstraße 1 – ‚Sachsen marschiert wieder einmal an der Spitze…'“, in: Hermann, Konstantin (Hrsg.), Führerschule, Thingplatz, „Judenhaus“ – Orte und Gebäude der nationalsozialistischen Diktatur in Sachsen. Sandstein Verlag, Dresden, 2004. S.166-169.
Hermann, Konstantin. „Erzgebirge – Brauch und Missbrauch einer Region“, in: Hermann, Konstantin (Hrsg.), Führerschule, Thingplatz, „Judenhaus“ – Orte und Gebäude der nationalsozialistischen Diktatur in Sachsen. Sandstein Verlag, Dresden, 2004. S. 26-33.
Quellenangaben
↑1 | Herz, Operation Sachsenstolz, S. 104. |
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↑2 | Freiheitskampf, 29.11.1937, S. 1. |
↑3 | Graefe, Die Gemeinde und das Heimatwerk Sachsen, S. XXI. |
↑4 | Ibid. |
↑5 | Freiheitskampf, 22.12.1937, S. 9. |
↑6 | Zit. nach Herz, Operation Sachsenstolz, S. 108. |
↑7 | Zit. nach Schaarschmidt, Kulturpolitik, S. 107. |
↑8 | Vgl. Freiheitskampf vom 01.12.1937 S. 11; 02.12.1937, S. 19; 11.12.1937, S. 9; 12.12.1937, S. 15; 12.01.1938, S. 1; sowie 18.01.1938, S. 1-2. |
↑9 | T Schaarschmidt, Regionalkultur und Diktatur, Seite 509 |