Rüstungsindustrie und Zwangsarbeit im nationalsozialistischen Dresden
Die nationalsozialistische „Ökonomie der Zerstörung“ verwandelte Dresden in eine bedeutende Rüstungsproduktionsstätte zur Entfesselung, Intensivierung und Fortführung des Zweiten Weltkriegs. Bereits 1934 setzte die systematische Heranziehung von Firmen zur Vorbereitung eines geplanten Angriffskriegs ein. Über 240 örtliche Unternehmen und Betriebe waren schließlich unmittelbar am Rüstungsprogramm beteiligt. Enteignung und Ausbeutung durch millionenfache von gefangenen Menschen geleistete Zwangsarbeit waren dabei entscheidende Säulen nationalsozialistischer Wirtschafts- und Vernichtungspraxis. Der Mahngang weist anhand von sechs Stationen konkrete Dresdner Orte und Akteur*innen der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft auf, die die Legende der „unschuldigen Kunststadt“ widerlegen.
Studierende des Instituts für Geschichte an der TU Dresden haben die Texte erarbeitet, die von Schauspieler*innen gelesen werden.
In Kooperation mit:
Kulturverein Zentralwerk e.V.
Institut für Geschichte, TU Dresden
Staatsschauspiel Dresden
Stadtrundgang audioscript
Gefördert von:
Landeshauptstadt Dresden – Amt für Kultur und Denkmalschutz
Station 1 – Der Güterbahnhof Neustadt – Drehkreuz für Rüstungsgüter, Deportationen, und Zwangsarbeiter
Der Güterbahnhof Dresden-Neustadt markiert einen zentralen Knotenpunkt für den Transport rüstungsrelevanter Rohstoffe und Güter, die in den über 240 Dresdner Unternehmen weiterverarbeitet oder hergestellt wurden. Darüber hinaus war dieser Ort zwischen 1942 und 1944 Ausgangspunkt oder Zwischenstation für Deportationen. Von hier aus wurden Jüdinnen und Juden mit Zügen der Deutschen Reichsbahn nach Riga, Theresienstadt und Auschwitz-Birkenau sowie in andere Ghettos und Vernichtungslager in Osteuropa deportiert.
Zwischenstation – Zwangsarbeit im NS, Hintergründe zu Dresden als Stadt der Rüstungsindustrie und Zwangsökonomie
Station 2 – Enteignung jüdischen Besitzes am Beispiel des Unternehmens Rheostat
Der Begriff „Arisierung“ bezeichnet den millionenfachen Raub jüdischen Eigentums durch deutsche Firmen und Unternehmer*innen mit Hilfe der NS-Verwaltung. Ein Beispiel für die Enteignung von jüdischen Unternehmen ist die Firma Rheostat, die der Familie Kussy gehörte. Sie mussten ihr Unternehmen für einen lächerlichen Preis verkaufen und 1939 fliehen.
Station 3 – Zwangsarbeit im Goehlewerk
Dresdner Jüdinnen und Juden fertigten im Goehlewerk der Zeiss Ikon AG von 1941 bis 1943 in Zwangsarbeit Munition und Waffenteile. Ab 1944 mussten Zwangsarbeiterinnen aus den Konzentrationslagern Ravensbrück und Auschwitz-Birkenau diese Arbeiten verrichten. Die Bedingungen waren unmenschlich: Zwölf-Stunden-Schichten ohne Pause, Mangelernährung und Schikanen bestimmten den Arbeitsalltag. Das Goehlewerk steht damit als Ort für Ausgrenzung und die ökonomische Ausbeutung von Menschen im Nationalsozialismus.
Station 4 – Bauen für den Krieg: Das Goehlewerk zwischen Industriearchitektur und Heimatschutz
Bau und Konstruktion des Goehlewerks war bestimmt durch die beiden Professoren der TH Dresden Emil Högg und Georg Rüth. Der Architekt und der Bauingenieur bewegten sich zwischen technisch-innovativem und nationalsozialistischem Denken innerhalb der Diktatur. Das Beispiel zeigt Handlungsspielräume technischer Eliten und deren Verwicklung in die Kriegs- und Rüstungswirtschaft auf. Es thematisiert gleichzeitig die Verbindung von Architektur und Technik mit rassistischen und völkischen Ideen im „Heimatschutz“-Gedanken.
Station 5 – Der Arbeitsweg der jüdischen Zwangsarbeiter*innen
Im Winter 1942/43 mussten diejenigen jüdischen Menschen, die am Hellerberg interniert waren, täglich den Arbeitsweg zum Goehlewerk zu Fuß zurücklegen. Übergriffe durch die Zivilbevölkerung waren an der Tagesordnung. An diesem Arbeitsweg lassen sich die Phasen der Judenverfolgung und deren konkrete Auswirkungen auf die Menschen nachspüren.
Station 6 – Das Judenlager Hellerberg
Das Judenlager Hellerberg bestand von November 1942 bis März 1943. In dieser Zeit lebten hier etwa 280 Menschen. Sie gehörten zu den letzten Jüdinnen und Juden aus Dresden, die noch nicht deportiert worden waren. Das Lager war in Selbstverwaltung organisiert, die Insassen mussten jedoch Kosten für Miete und Lebensmittel an das Unternehmen Zeiss-Ikon zahlen. Sie wurden im März 1943 nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Nur zehn Menschen aus dem Hellerberger Lager erlebten 1945 die Befreiung des Konzentrationslagers.